Die Mission des Wanderchirurgen
wissen. Kniet nieder, Vitus von Collincourt. Ich, Elisabeth, Königin von England, Tochter Heinrichs VIII ., und so weiter und so weiter, ernenne Euch hiermit zum Earl of Worthing.«
Vitus wusste nicht, wie ihm geschah. Er fiel auf die Knie und hörte die Worte seiner Königin wie im Traum.
»Ich erwarte, dass Ihr Euch des Grafentitels als würdig erweist, ich erwarte, dass Ihr Euer Besitztum nach bestem Wissen und Gewissen verwaltet, und ich erwarte nicht zuletzt, dass Ihr alles tut, damit der schwarze Tod beim nächsten Mal mein Volk verschont. Setzt Euch dazu mit den entsprechenden Ämtern auseinander.«
»Jawohl, Majestät.«
»Mit dem Titel eines Earls verbindet sich ebenfalls die Anrede ›Mylord‹, wie Ihr sicher wisst. Euer Gesinde auf Greenvale Castle wird sich also nicht umstellen müssen, und Ihr werdet nicht an Gesicht verlieren.«
»Jawohl, Majestät.«
»Erhebt Euch, Mylord.«
»Jawohl, Majestät.« Vitus kam sich vor, als rede er wie eine Maschine.
Eine der Hofdamen huschte heran und drückte ihm sämtliche Urkunden in die Hand. Sie waren groß und sperrig, und sie fielen ihm vor Aufregung fast aus der Hand.
»Die offizielle Zeremonie Eurer Ernennung zum Earl findet morgen Vormittag um zehn Uhr im Thronsaal statt. Bitte seid pünktlich und kleidet Euch angemessen.«
»Jawohl, Majestät. Ich danke Euer Majestät von ganzem Herzen und wünsche Euch noch einen guten Tag. Gott segne Euch!« Immer noch benommen, entfernte er sich rückwärts gehend und beugte dreimalig das Knie. Aufatmend trat er hinaus.
»Mylord?«
Er schrak zusammen. Was mochte die Königin noch wollen? »Ja, Majestät?«
»Und denkt morgen auch an anderes Schuhwerk.«
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Der Earl of Worthing
»Ich will übers Meer zurück ins Spanische, dort werde ich
meine Gefährten auftreiben, wenn sie noch leben
und es dem Allmächtigen gefällt.«
S chon kurz nach Erhalt der Peerswürde zog es Vitus mit Macht von London fort. Er hatte genug von Feierlichkeiten, Zeremonien und Banketten, bei denen er wohl oder übel im Mittelpunkt stand.
Als er drei Tage später nach einem anstrengenden Ritt auf Greenvale Castle eintraf, nur seine alte Kiepe und den mannshohen Stecken mit sich führend, wurde er zunächst kaum beachtet. Lediglich zwei Mägde standen bei den Stallungen, blickten zu ihm herüber und tratschten dann seelenruhig weiter. Vitus kannte sie nicht. Wahrscheinlich hatte Mrs. Melrose, die Herrscherin über die Schlossküche, sie in seiner Abwesenheit eingestellt.
Er saß ab und strebte den Pferdeunterkünften zu. Der vertraute Geruch nach Ross, Schweiß und Stroh umfing ihn. Im Halbdunkel wieherte ein Hengst. Das musste Odysseus sein! Er trat näher und strich dem Tier liebevoll über die Nüstern. »Wenigstens einer, der spitzgekriegt hat, dass ich wieder da bin, nicht wahr, mein Alter?«
»Was tut Ihr hier?«
Vitus fuhr herum und erkannte Keith, seinen jungen Stallmeister. Umgekehrt allerdings schien das nicht der Fall zu sein. Hatte er sich wirklich so verändert? »Ich begrüße meinen Hengst Odysseus«, sagte er. »Ich hoffe, Keith, du hast in meiner Abwesenheit gut für ihn gesorgt?«
Langsam dämmerte es dem Stallmeister. »My … Mylord? Ich werde verrückt, seid Ihr’s wirklich, Mylord?«
Vitus lächelte. »Ich denke, schon.«
Kaum hatte er das gesagt, schien Keith vor Geschäftigkeit zu platzen. »Watty!«, brüllte er. »Komm her, der Herr ist zurück!« Wat erschien, machte einen Kratzfuß und setzte zu einem umständlichen Gruß an, wurde jedoch sogleich unterbrochen: »Lauf und kümmere dich um das Pferd von Mylord!« Die beiden Mägde, die noch immer tratschten, scheuchte er auf: »He, du, lauf zu Mrs. Melrose und sage ihr, sie soll für den Herrn ein Mahl bereiten, und du, lauf zu Mr. Catfield und sage ihm, der Herr ist da. Los, los, ihr Gänse, keine Müdigkeit vorschützen!«
Nachdem das erledigt war, fand Vitus erstmals Gelegenheit, zu fragen, wie es Keith gehe.
Der Stallmeister strahlte bis über beide abstehenden Ohren. »Mir, Mylord? Bestens. Alle sind gesund, und meine Marth ist guter Hoffnung!«
»Das freut mich. Bleib nur hier bei den Ställen, ich finde den Weg zum Schloss allein.«
Als Vitus wenig später die große Freitreppe emporstieg, stürzte ihm Mrs. Melrose entgegen, gefolgt von einigen Küchenmägden und Gemüseputzerinnen und sogar von der chronisch langsamen Mary, die sich zur Feier des Tages einmal schneller bewegt hatte, um die Begrüßung nicht zu
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