Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Oberstallmeister und noch nicht der Earl of Leicester war …
    Andererseits war der junge Collincourt kaum mit Robin zu verwechseln, denn er war blond und etwas größer. Und er stand da, steif wie ein Spatenstiel. Wahrscheinlich hatte der alte Jonathan ihm das eingeschärft. Warum er das bei jedem Besucher tat, wusste nur er. »Cirurgicus, Ihr habt ein bemerkenswertes Buch geschrieben.«
    »Danke, Majestät. Sicher meint Ihr
De Causis Pestis
. Ich muss dazu sagen, dass die Erkenntnisse darin nicht allein auf meinen Überlegungen beruhen. Professor Mercurio Girolamo von der Paduaner Universität und mein Freund, der spanische Magister Ramiro García, waren gleichermaßen beteiligt.«
    »Es spricht für Euch, dass Ihr die Anerkennung teilen wollt. Ich habe das Werk eingehend studiert und kann Euch folgen, wenn Ihr die Ursache des schwarzen Todes in
Pulex pestis
seht. Natürlich werden andere Wissenschaftler Eure Erkenntnisse in Frage stellen, getreu dem Leitsatz: drei Gelehrte, drei Meinungen. Aber ich bin Eurer Ansicht, und auf mich kommt es an.«
    »Danke, Majestät.«
    »Was ich in Euren Ausführungen allerdings vermisse, sind genaue Anweisungen, wie man sich vor dem Verderben bringenden Biss des Flohs schützt. Als Königin meines Volkes will ich alles darüber wissen.«
    Vitus wählte seine Worte mit Bedacht. »Die Schwierigkeiten, die Ihr mit diesem Punkt ansprecht, wären ein eigenes Buch wert, Majestät«, begann er vorsichtig. »Es würde gewaltiger Anstrengungen bedürfen, den Floh auszurotten oder wenigstens unschädlich zu machen. Und dazu etlicher königlicher Verfügungen, ich …«
    »Daran soll es nicht fehlen. Ich habe einmal gesagt, ich werde so gut zu meinem Volk sein, wie es jemals eine Königin war. Ich habe gesagt, mir soll es an Willen nicht fehlen und auch nicht an der Macht. Und ich habe hinzugefügt, dass ich in der Not sogar mein Blut geben würde. Welche Maßnahmen wären also geboten?«
    Vitus ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich sagte er: »Das größte Problem scheint mir die mangelnde Sauberkeit zu sein, Majestät.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Nun, die Überlegung ist einfach. Sie heißt: Da wo kein Floh ist, kann auch kein Floh beißen. Je reinlicher ein Haus gehalten wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass
Pulex pestis
nicht auftritt.«
    Elisabeth runzelte die Stirn, wobei sie darauf achtete, es nicht zu übertreiben, damit ihre Schminke keine Risse bekam. »Das bedeutet im Umkehrschluss, weil London in weiten Teilen so dreckig ist, gedeiht der Floh hier besonders gut?«
    »Jawohl, Majestät, leider. In London und in allen großen Städten Europas. Überall, wo Zehntausende von Menschen sich auf engem Raum zusammenballen. Hier fühlt
Pulex pestis
sich besonders wohl. Es sei denn, die Bewohner machen ihm das Leben sauer und reinigen ihre Häuser, räuchern die Zimmer aus, schrubben die Böden, erneuern das Bettzeug und vielerlei mehr. Ein solches Bemühen hätte übrigens den weiteren Vorteil, dass Wanzen und Läuse gleich mit verschwänden.«
    Elisabeth nickte. Sie konnte Ungeziefer nicht ausstehen.
    »Aber nicht nur innerhalb der Häuser müsste mehr Reinlichkeit herrschen – auch außerhalb. Auf sämtlichen Straßen und Plätzen. Und natürlich am Hafen. Es müsste sichergestellt werden, dass mit den Schiffen aus Übersee keine Pestflöhe mehr eingeschleppt werden, was umfangreiche Kontrollen der Ladung und der Matrosen nach sich zöge. Zur Reinlichkeit würde auch gehören, dass alle Menschen sich häufiger waschen, am besten täglich. Gleiches gälte für ihre Kleidung: Sie dürfte nicht mehr wochenlang getragen werden, sondern nur noch für wenige Tage, bevor sie in den Zuber kommt.«
    Vitus machte eine Pause, und Elisabeth fragte: »Haltet Ihr einen solchen Aufwand tatsächlich für nötig?«
    »Ich fürchte, ja, Majestät. Und neben all den Schwierigkeiten und Erfordernissen, die ich nannte, gäbe es ein weiteres Problem: das der Versorgung mit genügend Wasser. Denn ohne Wasser keine Sauberkeit. Überall im Land müssten neue Brunnen gegraben werden. Hunderte an der Zahl, wenn nicht gar Tausende.«
    Elisabeth entgegnete nichts. Aber sie dachte: Du hast alles fein säuberlich aufgezählt, junger Collincourt, und dafür hast du meinen Respekt, aber die größte Schwierigkeit kennst du offenbar nicht. Nämlich die, dass meine Untertanen lieber eine Woche lang auf Gin und Ale verzichten würden, als sich ein einziges Mal zu waschen. Selbst die Königin von

Weitere Kostenlose Bücher