Die Mission des Zeichners
Wänden, in dem jeder Schritt widerhallte, und dann über eine steinerne Wendeltreppe ins erste Stockwerk in einen Raum von gewisser Pracht mit Fresken an den Wänden, kostbaren Teppichen und einem mächtigen Lüster, dessen Kerzen allesamt brannten.
In der Mitte des Raumes saß hinter einem Pult, das so groß war wie so mancher Banketttisch, ein mit roter Robe und Kardinalsmütze bekleideter, korpulenter Mann fortgeschrittenen Alters, mit schweren Augenlidern und Ziegenbart. Seine Blicke schössen so schnell wie die einer Schlange zu Cloisterman hinüber, doch er sagte kein Wort. Schließlich warf Cloisterman dem einzigen anderen Mann in diesem Raum einen Blick zu. Er war ein kräftiger Priester mit hellen Augen, kurz geschnittenem Haar und leicht geröteten Pausbacken, der sich am anderen Ende des Pults postiert hatte. Er fixierte Cloisterman mit blitzenden Augen und sagte in von einem auffälligen irischen Tonfall geprägtem Englisch: »Guten Abend, Mr. Cloisterman. Willkommen im Quirinalspalast. Ich bin Pater Monteith. Das ist Seine Exzellenz, der Progouverneur der Stadt Rom, Kardinal Bortolazzi. Leider spricht er kein Englisch. Sie werden mir also verzeihen, wenn ich seine... Gedanken in Worte fasse.«
»Was zum Teufel wird hier gespielt?«, blaffte Cloisterman in einem Ausbruch, für den er alle ihm zur Verfügung stehende Empörung über seine verletzte Würde aufbrachte. »Warum hat man mich wie einen... gewöhnlichen Verbrecher aus dem Albergo Luna abgeführt?«
»Weil Sie sich nach einer gewissen Mrs. de Vries erkundigt und zuvor Interesse an ihrem Reisegefährten Mr. Spandrel gezeigt hatten.«
»Was geht das Sie an?«
»Der Progouverneur ist für die Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung in der Stadt verantwortlich.«
»Ich bedrohe weder das eine noch das andere.«
»Weswegen sind Sie hier?«
»Um die Altertümer zu besichtigen.«
»Also bitte! Das genügt nicht. Sie waren bisher nicht einmal in der Nähe des Colosseums. Sehr wohl aber in der Nähe des Palazzo Muti. Sie haben sich mit einem berüchtigten Spion am Hof von König James getroffen. Und Mr. Spandrel führt Verhandlungen mit dem Privatsekretär des Königs.«
»Ich weiß weder von einem Spion, noch habe ich eine Ahnung, was Mr. Spandrel hier tut oder nicht tut.«
Monteith seufzte. »Ihr Leugnen ist nutzlos, Mr. Cloisterman. Wenn es dem Progouverneur beliebt, können Sie ohne Anklage oder Prozess für den Rest Ihres Lebens in das Castel Sant Angelo gesteckt werden. Sie sind hier nicht in den Vereinigten Provinzen.«
»Wie haben Sie...« Cloisterman verstummte und bedauerte bereits, indirekt alles zugegeben zu haben.
»Eine Mutmaßung, die auf dem holländischen Klang von Mrs. de Vries' Namen beruht. Woher Sie kommen, interessiert uns nicht. Aber der Grund, warum Sie hier sind, sehr wohl.«
»Ich bin der britische Vizekonsul in Amsterdam.« Der Hinweis auf das Verlies hatte Cloisterman blitzartig eines Besseren belehrt. Es hatte keinen Sinn, sich durch barsches Auftreten zu retten, woraus auch immer. »Meine Regierung ...«
»Ist dem Heiligen Vater nicht unbedingt wohlgesonnen.« Monteith kam um den Tisch herum und näherte sich ihm. »Wie Ihnen jedoch sicher bekannt ist, gibt es zurzeit keinen Papst. Seine Heiligkeit Clemens XL wurde letzte Woche zu seinem Schöpfer berufen. Es werden wohl noch mehrere Wochen verstreichen, ehe das Kardinalskollegium seinen Nachfolger wählt. Wenn wir wieder einen Papst haben, wird er zweifelsohne die Gewissheit haben wollen, dass in dem ihm geliehenen Reich Ordnung herrscht. Der Progouverneur ist entschlossen, das zu gewährleisten.«
»Bedeutet das«, fragte Cloisterman, der jetzt endlich zu verstehen glaubte, worauf der Priester hinaus wollte, »dass es dem Progouverneuer vorrangig darum zu tun ist, die Staatsangelegenheiten im statu quo nunc zu belassen?«
»Allerdings.« Monteith hob ruckartig den Kopf wie ein nach Körnern pickender Vogel. »Exakt so, wie sie momentan sind.«
»Eine plötzliche Verbesserung der Aussichten auf eine Restauration der Stuart-Dynastie wäre demnach...«
»Genauso wenig mit dieser Politik zu vereinbaren wie ihr plötzliches Aussterben.«
»Ich verstehe.«
»Das freut mich. Nun will der Progouverneur gar nicht unbedingt wissen, womit Mr. Spandrel im Palazzo Muti hausieren gegangen ist, doch ihm liegt sehr daran zu erfahren, ob Ihre Anwesenheit in Rom darauf schließen lässt, dass der Erwerb dieses Gegenstands, was immer das sein mag, durch Seine Majestät
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