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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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betrachtete er die kunstvoll und in präzisem Maßstab gezeichneten Symbole für Parks, Straßen, Plätze und Gassen - und in der Erinnerung zogen die Wochen und Monate, die er für die Vermessung benötigt hatte, an ihm vorbei. Eine Karte, hatte sein Vater einmal gesagt, war das Bild einer Stadt ohne deren Einwohner. Und wie schön sie doch ohne sie aussah, wie sauber und elegant! Die Menschen, die diese Stadt geschaffen hatten, waren zugleich auch diejenigen, die sie verschandelten. Aber selbst ein Kartenzeichner musste mit ihnen leben. Auf leeren Wegen, wie er sie auf Papier gebannt hatte, konnte er nicht gehen. Niemand konnte das.
    Das Spread Eagle war eines von mehreren Kutschergasthäusern auf der Route von Westminster in den Westen des Landes. Aufgrund seiner Nähe zur Westminster Abbey bot es sich als Treffpunkt an, obwohl es Spandrel erstaunte, dass ein Geistlicher einen solchen Ort vorschlug. Freilich fiel es ihm schwer, sich einen Menschen vorzustellen, der weniger von einem Pfarrer an sich hatte als Reverend Kelly. Während er in der Schankstube wartete, sinnierte Spandrel darüber nach, ob Atterbury Kelly wegen der Kraft seiner Arme oder der Tiefe seines Glaubens angestellt hatte. Nun, wenn er als Intrigant genauso eifrig wie als Prediger war, hatte er vielleicht gerade solche Leute in seiner Nähe dringend nötig.
    Und tatsächlich ähnelte Kelly eher einem Offizier der Armee denn der rechten Hand eines Bischofs, als er wenig später hereingeschlendert kam. Seine Kleidung erinnerte nicht einmal entfernt an ein Priestergewand, und seine mächtigen Schultern mitsamt seinem selbstbewussten Gang bestätigten den Eindruck, dass Demut nicht zu seinen vorherrschenden Eigenschaften gehörte. Zunächst ignorierte er Spandrel und zog es vor, an der Schänke ein Bier zu kaufen und von wieherndem Lachen begleitete Scherze mit dem Wirt auszutauschen, ehe er weiterzog und sich zu einem Burschen gesellte, der allein in einer Ecke herumstand. Schließlich traten beide auf Spandrel zu.
    »Guten Abend, Spandrel«, dröhnte Kelly in leutseligem Ton. »Das ist ein Freund von mir, Mr. Layton.«
    Mr. Layton war ein Mann von kleinerer, weniger Furcht einflößender Gestalt als Kelly, mit stets hin und her huschenden Blicken und einem unergründlichen Lächeln. Kurz vorher hatte er noch mit einer Kellnerin gescherzt, und Spandrel hatte nicht weiter auf ihn geachtet. Layton dagegen ausgiebig auf ihn.
    »Mr. Layton sagt mir, dass Sie allein und zur vereinbarten Zeit eingetroffen sind«, fuhr Kelly fort. »Das ist beruhigend.«
    »Niemand ist eingeweiht«, erklärte Spandrel. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
    »Das haben Sie allerdings. Sie haben mir außerdem gesagt, dass Sie einen Gegenstand haben, den Sie meinem Brotherrn übergeben möchten.«
    »Und doch sind Sie mit leeren Händen gekommen«, knurrte Layton, dessen Lippen auf einmal heftig zuckten.
    »Und Sie sind ohne Ihren Dienstherrn gekommen.«
    »Man kann wohl kaum erwarten, dass ein Bischof den Fuß in eine Schankstube setzt«, gab Kelly zurück.
    »Ist er bereit, mich zu empfangen?«
    »Das, was Sie für ihn haben, will er ganz gewiss sehen.« »Das kann er, wenn wir uns über die Bedingungen geeinigt haben.«
    »Bedingungen also!«, schnaubte Layton. »Wie viel wollen Sie?«, fragte Kelly in freundlichem, beinahe neugierigem Ton.
    »Ich nenne meinen Preis bei einer Begegnung mit Ihrem Zahlmeister.«
    Kelly schmunzelte. »Sie haben die Ruhe weg, keine Frage.« »Vielleicht sollten wir ihn ein wenig aufschrecken«, schlug Layton vor. »Mal sehen, ob sein Körper genauso flink ist wie sein Mundwerk.«
    »Nein, nein«, mahnte Kelly. »Lassen Sie ihn.« »Wenn Sie meinen.« Laytons Gesicht verriet, dass er enttäuscht war. »Sollen wir ihn nach oben schicken?« »Ja«, erklärte Kelly, »es ist höchste Zeit.« Spandrel sah ihn fragend an. »Höchste Zeit wofür?« »Gehen Sie durch den Hof, und steigen Sie die Treppe zu den Gastzimmern hinauf«, antwortete Kelly. »Klopfen Sie an der dritten Tür. Er wartet auf Sie.« »Der Dekan?« »Er wartet. «
    Spandrel sah einen Pferdeknecht bei der Arbeit, ansonsten schien niemand im Hof zu sein. Fern des Treibens in der Schänke war es hier kühl und still. Er warf einen Blick nach oben zu den Fenstern der Gastzimmer, doch nirgendwo war eine Bewegung zu erkennen.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte er die Treppe hinauf und eilte zielstrebig zur dritten Tür. Durch das Fenster sah er ein Feuer im Kamin brennen,

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