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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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richtig. Sie und nichts anderes hatten Spandrel in seine Notlage gebracht. Und höchstwahrscheinlich auch den Dekan. »Allmächtiger Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Du nicht willst, dass ein Sünder den Tod erleide, sondern dass er von seinem Tun bekehrt werde und lebe; der Du Seinen Priestern die Macht und den Auftrag verliehen hast, Seinem Volk, so es bereut, die Vergebung seiner Sünden zu erteilen...«
    »Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gegenwart des Heiligen Geistes sei mit uns, jetzt und in alle Zeit. Amen.«
    »Amen.« Der Abendgottesdienst war nach beinahe einer Stunde mit Psalmen, Mahnungen und Gebeten zu Ende gegangen. Die meisten Gläubigen knieten noch immer, als der Dekan den Chor bereits zur Tür führte. Die Gelegenheit, auf die Spandrel so lange gewartet hatte, war gekommen, eine Gelegenheit, die er nicht verpassen durfte. Er hatte sich bewusst ans Ende einer Bank gesetzt, sodass er sich unbemerkt erheben und mit schnellen Schritten durch das südliche Schiff zu der Tür schreiten konnte, die in den Kreuzgang führte.
    Am Ende des Kreuzgangs schimmerte mattes Frühabendlicht. Die Chorknaben schritten unbeirrt durch die Arkaden auf ihre Schule zu. Der Dekan dagegen, begleitet von einer Schar von Kaplanen, näherte sich Spandrel, oder vielmehr einer Seitentür neben derjenigen, durch die Spandrel getreten war.
    Der junge Mann gab sich einen Ruck. »Mylord, ich muss mit Ihnen sprechen.«
    Atterbury blieb so abrupt stehen, dass einige der Kaplane noch ein paar Schritte weitergingen, ehe sie begriffen, was los war, und zurückeilten. Einer baute sich sofort bedrohlich vor Spandrel auf, als wolle er ihn persönlich aus dem Weg räumen, doch Atterbury gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. »Warten Sie, Kelly.« Mit kühlen blauen Augen musterte er Spandrel von oben bis unten. »Nun?«
    »Es handelt sich um eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit, Mylord. Sie betrifft... ein Ziel, das Ihnen sehr... am Herzen liegt.«
    »Was für ein Ziel?«
    »Ich kann darüber nicht... offen sprechen.«
    »Nein?« Atterbury überlegte kurz, dann brummte er: »Kümmern Sie sich darum, Kelly«, und rauschte davon.
    »Aber My...«
    Plötzlich schob sich ein in schwarzer Robe gekleideter Rücken zwischen Spandrel und seine Beute. Mit einem Knall fiel die Tür zum Dekanat ins Schloss, und der Dekan war mitsamt seiner Garde verschwunden. Zurück blieb nur noch Kelly, der sich langsam umdrehte und von beträchtlicher Höhe auf Spandrel hinabsah. Seine buschigen Augenbrauen wölbten sich, und er entblößte ein makelloses Gebiss zu etwas, das ein Lächeln oder auch ein Zähnefletschen sein konnte. »Ihr Name?«
    »William Spandrel.«
    »Ihr Begehren?«
    »Es ist - wenn Sie mir verzeihen möchten - nur für den Dekan bestimmt.«
    »Ich bin Augen und Ohren des Dekans.«
    »Dennoch...«
    »Ich gebe mich nicht mit Geschwätz ab.« Unvermittelt wurde Spandrel am Kragen gepackt und mit nicht gerade priesterlicher Kraft hochgezogen, bis er auf den Zehenspitzen stand. »Ich bin Reverend George Kelly, Privatsekretär meines Lords, des Dekans und Bischofs. Was Sie mir sagen, sagen Sie auch ihm. Und wenn Sie reden, dann mit mir.«
    »Na gut. Ich...« Langsam wurde Spandrel wieder auf den Boden gestellt, und der Griff um seinen Kragen löste sich. »Es tut mit Leid. Ich wollte nicht...«
    »Raus mit der Sprache.«
    »Es betrifft...« Spandrel holte tief Luft. Er war drauf und dran, in ein Wasser zu springen, von dem er nicht wusste, wie tief es war. »Die Sache.«
    »Was für eine Sache soll das sein?«
    »Es kann doch gewiss nur eine geben.«
    »Ha, das ist richtig.« Kelly versetzte Spandrel einen Stoß gegen die Schulter, der ihn fast von den Füßen riss. »Nun, wir haben den Kreuzgang für uns. Ich gebe Ihnen für Ihre Geschichte eine Umrandung. Nur eine, verstanden? Ich habe keine Zeit zu verlieren.«
    »Ich genauso wenig, Sir.« Sie setzten sich in Bewegung. Spandrel begann zu sprechen. Doch seine Gedanken waren schneller als seine Worte. Walpole hatte ihm befohlen, mit Atterbury und niemandem sonst zu reden. Mittelsmänner, so verschwiegen und verlässlich sie auch sein mochten, würden da nichts nützen. Doch Kelly würde halbe Wahrheiten sofort durchschauen und sich nicht mit Notlügen abspeisen lassen. Folglich musste man ihm genug geben, wenn auch nicht zu viel. »Ich befinde mich in einer schwierigen Situation. Ich wurde angewiesen, einen bestimmten Gegenstand dem Dekan

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