Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
wieder einfielen, als er durch Long Acre eilte. Wenn ihn jemand mit einer mehr oder weniger verlässlichen Karte von irgendeiner Gegend, die er ihm nannte, ausstatten konnte, dann Marabout. Und bei Spandrels neuem Vorhaben ging es um mehr als Geschäftliches. Es war eine Frage von Leben und Tod. Darum war er gezwungen, sich an Marabout zu wenden.
    Ein paar Staubschichten mehr auf dem ausgestopften Bären, der neben der Tür stand, waren die einzige Veränderung, die Spandrel beim Betreten des baufälligen Geschäfts auffiel. Marabout, eine Gestalt mit gekrümmtem Rücken, schlurfendem Gang und eigenartig gemaserten, blauen Augen wie ein Lapislazuli hatte über einen ganzen Haufen verbogener und zersplitterter Brillen gebeugt dagesessen. Er entblößte seine kohlefarbenen Zähne zu einem Grinsen und begrüßte Spandrel wie einen alten Bekannten, den er erst vor einer Woche und nicht Vorjahren zuletzt gesehen hatte.
    »Sie sind also immer noch nicht mit der Karte Ihres Vaters fertig? Wenn Sie sich noch mehr Zeit lassen, werden Sie bald ganz von vorne anfangen müssen. Die Stadt verändert sich atemberaubend schnell.«
    »Aber Sie nicht, Mr. Marabout.«
    »Ich bestimmt nicht. Jeder Kreisel muss auch einen ruhenden Punkt haben.«
    »Ich komme wegen einer Karte zu Ihnen.«
    »Wirklich? Sie gehen auf große Fahrt?«
    »Das kann man so sagen. Was haben Sie über den Windsor Forest zu bieten?«
    »Da bin ich gut bestückt. In den Tagen der alten Königin herrschte keine große Nachfrage. Und dieser Deutsche, den wir jetzt auf dem Thron haben, ist nicht unbedingt ein Jäger. Aber Sie doch auch nicht. Hinter Hirschen werden Sie wohl nicht her sein.«
    »Ich habe in dieser Gegend Geschäfte zu erledigen.«
    »Dann seien Sie auf der Hut. Es heißt, in Maidenhead Thicket gäbe es mehr Wegelagerer als Bäume.«
    »Was haben Sie zu bieten, Mr. Marabout?«
    »Kommen Sie mit und sehen Sie selbst.«
    Marabout schlug einen Vorhang zurück, der eher wie ein Leichentuch für ein Pestopfer aussah, und führte Spandrel in einen niedrigen fensterlosen Raum. Dort stand eine breite Vitrine mit vielen flachen Schubladen, in denen er seine Kartensammlung aufbewahrte. Von einer fantasiereichen Darstellung des amerikanischen Kontinents bis hin zu angeblich exakten Straßenplänen von Provinzstädten gab es sie in allen Formen und Größen. In dem matten Licht konnte Spandrel die eine nicht von der anderen unterscheiden, doch Marabouts Augen waren solchen Anforderungen offenbar mühelos gewachsen. Er suchte eine prall gefüllte Schublade durch, zog schließlich einen großen Leinwandbogen heraus und trug ihn in den Laden, wo er ihn auf der Theke ausbreitete und an den Ecken mit vier zerkratzten und verbogenen Taschenuhren beschwerte, die plötzlich wie durch ein Wunder aufgetaucht waren.
    »Bitte sehr. Zwischen Reading und Eham in der einen Richtung und Cookham und Sandhurst in der anderen. Jede Straße und jeder Weg und dazu fast alle Häuser. Weniger als zwanzig Jahre alt, was in dieser Gegend so gut wie von gestern bedeutet.«
    »Ich sehe nirgends ein Datum.«
    »Nicht nötig. Schauen Sie, das ist die Datchet Bridge.« Marabout deutete auf die Zeichnung einer Brücke, die sich östlich von Windsor über die Themse spannte. »Die alte Königin hat sie im Jahr null sechs bauen lassen.«
    Datchet Bridge. Spandrels Auge verweilte darauf. Das war die Richtung, die Edward Walpoles Entführer eingeschlagen haben mussten. Und ihm war bereits klar, warum. In Windsor hätten sie die Themse nicht überqueren können. Dort hätten sie befürchten müssen, zu lange von den Zöllnern aufgehalten zu werden, sodass sie im Fall einer Verfolgung leicht hätten eingeholt werden können. Diese Route dagegen war eindeutig der sichere Weg zurück in den Wald, dessen dichter Bestand mit Dutzenden von säuberlich gezeichneten, kleinen Bäumen dargestellt wurde. In einem solchen Wald konnten sie den Jungen leicht die wenigen Tage verbergen, die sie benötigten, um den Vater zum Nachgeben zu zwingen. Wenn er sich zwingen ließ.
    »Was halten Sie davon?«, fragte Marabout.
    »Nicht schlecht, ganz und gar nicht schlecht.«
    »Weil Sie es sind, eine Guinee.«
    »Eine Guinee? Das ist eine Stange Geld.«
    »Sie würden mehr verlangen, wenn Sie sie selbst gezeichnet hätten.«
    »Jedes Haus, haben Sie gesagt?«
    »Das nicht, aber jedes wichtige Haus, das können Sie mir glauben. Überzeugen Sie sich selbst.«
    »Sie haben ein geschulteres Auge als ich, Mr. Marabout. Sehen Sie

Weitere Kostenlose Bücher