Die Mission des Zeichners
sein, wenn er es herausfindet.«
»Mit etwas Glück kommt es ihm nie zu Ohren. Und mit etwas Glück ist Edward bis Sonntag in Freiheit und in Sicherheit. Aber dieses Lumpenpack...« Walpole schloss die Faust um eine unsichtbare Beute.
»Vielleicht ist er schon weit von Windsor entfernt.«
»Ja, vielleicht. Darum sollst du unsere Gegenmaßnahmen von London aus leiten. Ich will, dass sämtliche Schlupflöcher und Verstecke der Jakobiten beobachtet werden. Diskret, Charles, äußerst diskret. Und wenn du auf einen Hinweis auf den Ort stößt, wo sie ihn gefangen halten, will ich es zuerst wissen, bevor irgendetwas unternommen wird.«
»Ich werde mich unverzüglich darum kümmern.« Townshend schickte sich zum Gehen an, kehrte jedoch noch einmal zu Walpole zurück und tätschelte ihm die Schulter. »Er ist ein tapferer und entschlossener Junge, unser Edward. Wahrscheinlich entkommt er ihnen sogar ohne unsere Hilfe.«
»Ein hübscher Gedanke, Charles.« Walpole sah seinem alten Freund ins Gesicht. »Aber ich kann es mir nicht leisten, darauf zu bauen.«
»Ich hätte nie gedacht, dass wir uns noch einmal sehen würden«, gestand Estelle, als sie gemeinsam über einen der Kieswege schlenderten, die Lincoln's Inn Fields, eine rechteckig angelegte, üppig bewachsene Grünfläche, in vier gleiche Teile zerschnitten. Vor ihnen spielten kleine Jungen mit Kupfermünzen Zielwerfen. Hinter ihnen lag die enge Mündung der Portsmouth Street, aus der sie vor wenigen Minuten gekommen waren. Unter dem Arm trug Spandrel den zusammengerollten und mit einem Bindfaden verschnürten Leinwandbogen. »Du etwa?«
»Nein«, antwortete ihr Begleiter düster.
»Du denkst jetzt nicht gut von mir, nicht wahr?«
»Ich denke überhaupt nichts.«
»Deine Mutter hat mir gesagt, wo du bist. Ich habe ihr erzählt, wir seien Bekannte aus deiner Zeit in Rennes.«
»Woher weißt du über meine Zeit in Rennes Bescheid?«
»Ich denke, das weißt du: Mein Wohltäter, der Vermieter des Phoenix House.«
»Walpole.«
»Er ist nicht das Ungeheuer, für das du ihn hältst.«
»Er hat mir heute Morgen damit gedroht, meine Mutter als Diebin hängen zu lassen. Das würde ich durchaus ungeheuerlich nennen, du etwa nicht?«
»Er fürchtet um das Leben seines Sohnes. Und er wird alles tun, um ihn zu retten. Außer die Forderung der Entführer zu erfüllen.«
»Dann ist es hoffnungslos.«
»Das glaube ich nicht. Du hast doch eine Idee, oder? Du glaubst zu wissen, wo der Junge festgehalten wird - und von wem.«
»Meinst du?«
»Und ob. Ich kann dich genauso gut lesen wie du diese Karte.«
»Karten? Das ist mein Beruf, Estelle, damit hast du Recht.« Spandrel sah ihr ins Gesicht. »Aber das Herz eines Menschen? Darin finde ich mich nicht zurecht.«
»Ist das ein Vorwurf, William? Weil ich mich mit der für mich unter den Umständen besten Lösung zufrieden gegeben habe, als mir klar wurde, dass das Grüne Buch unerreichbar ist? Gut, dann mach mir eben Vorwürfe. Es gibt aber nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste.«
»Wie hast du sein Augenmerk auf dich gelenkt?« »Ich wurde zum Verhör geholt, als Cloisterman meine Ankunft in London gemeldet hatte. Ich hatte gedacht, er hätte das Grüne Buch noch nicht übergeben und er und ich könnten...« Sie seufzte. »Ich bin natürlich zu spät gekommen. Er stand kurz vor der Abreise nach Konstantinopel und war begierig darauf, seinem Herrn in jeder nur erdenklichen Weise ' gefällig zu sein. Was seinen Herrn betrifft, so war er auf mich neugierig. Cloistermans Schilderungen hatten... seinen Appetit geweckt.«
»Einen Appetit, den du nur zu gern befriedigt hast.« »Ich will es nicht leugnen. Warum auch? Ein Haus in der Jermyn Street. Livrierte Lakaien. Meine eigene Kutsche. Vornehme Kleider. Teurer Schmuck. Was ich für das alles hergebe, ist wirklich nicht viel.«
»Eine ideale Übereinkunft also?« »Jedenfalls erträglich. Aber jetzt gefährdet.« »Wodurch?«
»Das Grüne Buch. Er ist sich sicher, dass einer von uns ihn verraten hat. Möglicherweise sogar alle beide - dank eurer Begegnung in der Nähe meiner Haustür. Ich streite es natürlich ab, wie du auch. Vielleicht sagen wir beide die Wahrheit. Aber das wird uns nichts helfen. Nicht, wenn Edward Walpole stirbt. Dann wird sein Vater Rache üben, und zwar an uns. Und sogar an deiner Mutter. Der Junge ist noch keine sechzehn. Und Robin setzt große Hoffnungen auf ihn.« »Robin?«
»Er wird den Entführern nicht nachgeben, William. Selbst
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