Die Mission des Zeichners
können...«
»Kommen wir auch nicht an seinen Herrn heran. Das ist mir sehr wohl klar, Charles. Verdammt klar.«
»Was hat das mit diesem... Harlekin zu bedeuten?«
»Atterburys Hund, dieses verfluchte Vieh. Halb Europa scheint sich bei Kelly nach der Gesundheit des Köters zu erkundigen. Ganz offensichtlich ist das ein Chiffre für die Aussichten des Komplotts. Aber wir haben keinen Beweis in der Hand!«
»Wie gehen wir weiter vor?«
»Hartnäckig, Charles, so und nicht anders. Hartnäckig und unermüdlich. Wir können diesen Fuchs nicht aus seinem Bau locken. Aber irgendwann wird er von selbst herauskriechen müssen. Und dann... sitzen wir davor.«
Bei dem Wartespiel war keiner Walpole gewachsen. Spandrel konnte in diesem Spiel nur verlieren und war trotzdem gezwungen, sich daran zu beteiligen. Während in London der Schatzkanzler und der Minister für das Nördliche Departement missmutig über dem Bericht der Dechiffrierer brüteten, wurde in Amsterdam Spandrel Vogt Lanckaert zum Verhör vorgeführt.
Lanckaert sagte nur wenig, und das auf Holländisch. So führte sein des Englischen mächtiger Stellvertreter Aertsen die kurze, aber eindringliche Befragung durch. Er und der Engländer hatten sich zuletzt bei Spandrels Flucht aus der Haft gesehen, ein Vorkommnis, das keiner erwähnte. Kurzerhand wurden jetzt jedoch die seit langem schlummernden Indizien, die unmittelbar vor McIlwraiths dramatischem Eingreifen in Ugels' Laden aus dem Ärmel geschüttelt worden waren, als Beweise für Spandrels und Zuylers Komplizenschaft bei der Beraubung und Ermordung von Ysbrand de Vries hervorgekramt. Die noch haarsträubendere Beschuldigung, Spandrel sei Geheimagent der Regierung der österreichischen Niederlande gewesen, wurde nicht wiederbelebt, was Spandrel auf eine stillschweigende Änderung der Taktik zurückführte. Stattdessen legte ihm Aertsen nahe zu gestehen, er habe von Zuyler erfahren, wo de Vries' Geld und Wertgegenstände zu finden seien, und habe den Kaufmann ermordet, als dieser ihn beim Durchwühlen der Truhe in seinem Büro ertappt habe.
»Nein!«, rief Spandrel verzweifelt. »So war es nicht! Zuyler hat mich arglistig ins Haus gelockt, um alle Schuld auf mich zu wälzen. Ich habe Ihnen letztes Jahr die Wahrheit gesagt, und daran hat sich nichts geändert.« Das war richtig. Doch mittlerweile wusste er mehr. Er kannte die ganze Wahrheit. Und dennoch wäre nichts damit gewonnen, wenn er sie ihnen sagte. »Sie sollten Zuyler und Mrs. de Vries suchen.«
»Wir haben sie gesucht. Aber wir haben nur Sie gefunden.« Tatsächlich hatten sie nicht einmal Letzteres getan. Spandrel war ihnen auf dem Tablett serviert worden. Wenn etwas fehlte, dann höchstens ein Zweiglein Petersilie zum Garnieren. Zuyler war tot, aber auch das schienen sie nicht zu wissen. Und Estelle de Vries hatte sich in Mrs. Davenant verwandelt, Hausherrin im Phoenix House und Geliebte von Robert Walpole, eine Information, für die sie ihm sicher nicht dankbar wären. »Wir haben eine beeidete Aussage eines Dieners von Mijnheer de Vries, dass Sie seinen Herrn getötet haben, Spandrel. Dagegen haben all Ihr Leugnen und Ihre Schutzbehauptungen keinen Bestand.«
»Ich war es nicht.«
»Warum sind Sie dann geflohen, als Sie die Möglichkeit hatten, Ihre Unschuld zu beweisen?«
»Weil ich eine solche Möglichkeit nie hatte, wie schon dieses Verhör beweist.«
Aertsen funkelte ihn böse an. »Es reicht! Schluss jetzt!«
Es folgten eine längere Beratung auf Holländisch und eine weitschweifige Erklärung des Vogts, die Aertsen mit dürren Worten auf Englisch zusammenfasste.
»Ihre Schuld ist erwiesen, Spandrel. Das förmliche Urteil und die Strafe werden morgen verhängt. Rechnen Sie nicht mit Milde.«
Aertsens warnende Abschiedsworte wären gar nicht nötig gewesen, denn Spandrel hatte zu keinem Zeitpunkt Milde erwartet. Vielmehr versuchte er, soweit ihm das möglich war, überhaupt keine Erwartungen zu hegen. So wie die Dinge standen, war ihm als Spielball verschiedener Mächte weder eine lange noch eine erfreuliche Zukunft beschieden. Die Behörden mussten sich geradezu verrenken, um die Widersprüche und Ungereimtheiten in ihrer Anklage gegen ihn aufzulösen. Doch es war klar, dass sie dabei zur Not das Gesetz beugen würden. Genauso fest stand, dass Spandrel das Genick gebrochen würde.
Zurück in seiner Zelle, dachte er, wie so oft in letzter Zeit, an McIlwraith und fragte sich, was wohl dieser unbezähmbare Kämpfer in einem derart
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