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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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nicht die Kassette, die er ansah. »Warum hat Ihnen Estelle meinen Stadtplan von London gezeigt, Mr. Spandrel?«
    »Ihre Frau dachte, er würde mich interessieren.«
    »Warum?«
    »Weil ich von Beruf Kartenzeichner bin.«
    »Und woher wusste sie das?«
    »Ich habe es ihr gesagt.«
    »Sie reden zu viel.« De Vries drehte sich um und betrachtete ihn nachdenklich. »Das ist eine schlechte Angewohnheit. Sie sollten...« Er unterbrach sich, weil in diesem Moment Zuyler in der Tür erschien.
    »Mijnheer?« Es gab ein kurzes Gespräch auf Holländisch, an dessen Ende Zuyler Spandrel ins Auge fasste und nickte. »Ihr Ziel ist Helvoetsluys, Mr. Spandrel?«
    »Ja.«
    »Die schnellste Fahrt wäre die mit dem Nacht- Trekschuit nach Rotterdam. Er legt um elf Uhr vom Oudezijds Herenlogement am Grimburgwal ab.« An dieser Stelle warf de Vries etwas auf Holländisch ein, woraufhin Zuyler die Lippen zu einem matten Lächeln verzog, ehe er fortfuhr. »Mijnheer de Vries schlägt vor, dass ich Sie dort hinbringen soll. Er bezweifelt, dass Sie den Weg allein finden. Das Herenlogement ist ein Gasthof. Vielleicht möchten Sie vor Beginn der Reise noch eine Mahlzeit einnehmen.«
    »Danke, aber ich bin sicher, dass ich auch allein hinfinde.«
    »Es wäre mir ein Vergnügen, Sie zu begleiten, Mr. Spandrel.«
    »Wenn das so ist« - Spandrel sah von einem zum anderen -, »nehme ich an.«
    »Dann auf Wiedersehen«, verabschiedete sich de Vries. »Sagen Sie Sir Theodore...«
    »Ja?«
    »Nichts.« De Vries sah ihm ins Gesicht, ohne zu lächeln. »Das ist immer das Beste.«

5 In die Dunkelheit
    Der Weg von de Vries' Haus zum Grimburgwal stellte sich als recht kurz heraus. Dennoch war Spandrel dankbar, einen Führer dabeizuhaben. Das Geflecht von Grachten, Brücken und Gassen, das Amsterdam ausmachte, diente anscheinend eigens zur Verwirrung der Fremden, so ähnlich sah eines dem anderen. Im Scherz fragte der Engländer Zuyler, ob das Absicht sei, doch Zuyler antwortete trocken und ernst, dass er das nicht glaube und seinerseits London als ebenso überwältigend empfunden hätte, ohne gleich ein Komplott gegen Fremde zu vermuten.
    Zuyler konnte sich natürlich gleich wieder seinen Aufgaben widmen, wohingegen Spandrel jetzt, nach der Erfüllung seiner Mission, der Veränderung seines Lebens entgegenfieberte, das in England auf ihn wartete. Dass sie nicht den gleichen Humor hatten, wunderte ihn eigentlich nicht. Ja, nachdem er Ysbrand de Vries kennen gelernt hatte, tat ihm jeder Leid, der für diesen Mann arbeiten musste. Ein Versuch, das in Worte zu fassen, verunglückte jedoch genauso wie sein Scherz.
    »Ich könnte mir denken, dass Mijnheer de Vries ein sehr anspruchsvoller Arbeitgeber ist.«
    »Das liegt in der Natur der Beschäftigung«, erwiderte Zuyler. »Sie stellt nun einmal ihre Anforderungen.«
    »Gewiss. Allerdings....«
    »Und sie belohnt selten die Fantasie.« Zuyler blieb stehen und deutete auf ein hübsch vergiebeltes Gebäude am anderen Kanalufer. »Das ist das Oudezijds Herenlogement. Der Trekschuit nach Rotterdam wird vom Landungssteg davor ablegen.«»Schön. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Ich wünsche Ihnen eine sichere Rückreise.«
    »Das wird sie ganz bestimmt sein.«
    Zuyler bedachte ihn mit einem knappen Nicken, das eine Verbeugung allenfalls andeutete, dann wandte er sich ab und entfernte sich. Spandrel sah ihm noch kurz nach, ehe er wegen einer vorbeifahrenden Kutsche unter das Vordach eines Hutmacherladens springen musste. Sie bewegte sich auf Schlittenkufen, als wäre sie für raueres Wetter als das jetzt herrschende trübselig milde Grau gebaut worden, doch ratterte sie immer noch recht zügig über das Kopfsteinpflaster. Als Spandrel dann wieder in Zuylers Richtung schaute, sah er ihn nicht mehr.
    Das Oudezijds Herenlogement war ein gemütlicher, freundlicher Gasthof, wie ihn Spandrel sich nicht angenehmer hätte wünschen können. Obwohl er am Spätnachmittag eintraf, also zu einer Zeit, in der die Gasthäuser zumeist leer waren, schlugen ihm aus der Wirtsstube Rauch, Wärme und lebhaftes Geplauder entgegen. Er aß einen herzhaften Eintopf, den er mit einem Krug Bier hinunterspülte, und ließ sich vom Schankwirt die Abfahrtszeit des Trekschuit bestätigen. Dann rauchte er bei einem zweiten Krug Bier eine Pfeife und überlegte, wie er den restlichen Abend am besten verbringen könne. Die Dunkelheit hatte sich inzwischen über die Stadt gesenkt, und er hatte nicht vor, sich allzu weit vom Gasthof zu entfernen, da er

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