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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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doch. Wenn die Korrespondenz ein Buch mit grünem Einband zum Thema hat.«
    »Sie scheinen ja sehr viel zu wissen, Captain.« (In der Tat war es mehr, als für Dalrymples Seelenfrieden gut war.) »Darf ich fragen, wie Sie an solches Wissen herangekommen sind?«
    »Das braucht Sie nicht zu kümmern. Aber Stanhope ist tot. Das ist Ihnen doch bekannt, oder?«
    »Ja. Allerdings. Wirklich eine traurige Botschaft.«
    »Wenn Sie meinen. Schlaganfall oder so etwas. Allerdings steht dahin, ob diesen die hämischen Bemerkungen des Duke of Wharton im Oberhaus herbeigeführt haben oder die sagenhaften Mengen an Tokayer, die er am Vorabend beim Duke of Newcastle getrunken haben soll.«
    »Er wird schmerzlich vermisst werden«, beharrte Dalrymple unbeirrt.
    »Von Ihnen vielleicht. Aber nicht von allen.«
    »Von allen Männern, die Gefühle haben.«
    »Gefühle? Also, ich habe so ein...« McIlwraith verstummte und fuhr sich mit der Hand über das Kinn. Voller Abscheu vernahm Dalrymple das Kratzen von Bartstoppeln. »Ich habe jetzt nicht die Muße für ein Geplänkel, Dalrymple. Wo steckt Kempis?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Aber Sie haben ihn heute noch empfangen. Ihr Sekretär hat es mir bestätigt.«
    »Es steht mir wirklich nicht frei, über meine Gespräche mit Mijnheer Kempis oder sonst jemandem zu plaudern. Ich antworte den Ministern Seiner Majestät, aber nicht dem Unterhaus.«
    »Dessen wäre ich mir nicht so sicher. Wollen Sie wirklich, dass im Bericht des Ausschusses Bürokratenseele und verdammter Quertreiber hinter Ihrem Namen steht?« McIlwraith trat näher heran. Seine Stimme wurde leiser. »Ich weiß, was Kempis Ihnen verkaufen wollte. Und für wie viel. Außerdem weiß ich, welche Anweisungen Lord Stanhope Ihnen gegeben hat: Kempis abkanzeln und rauswerfen. Was Sie ohne Zweifel gehorsamst getan haben. Was für ein Pech für Sie, dass Stanhope jetzt tot ist, heißt das doch, dass seine Anweisungen so viel wert sind wie Schmierpapier und nur noch zum Einheizen taugen. Aber Ihnen winkt schon wieder das Glück. Informationen helfen mir mehr als Ihr Kopf auf einem Teller. Also: Wo steckt Kempis?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wollen doch sicher nicht sagen, dass Sie ihn einfach so haben gehen lassen?«
    Das hätte er sich ja denken können, dass Harris seinen eigenen Anteil an den Vorfällen dieses Tages nicht erwähnt hatte. »Er ist uns entkommen«, gab Dalrymple zähneknirschend zu.
    »Ich nehme nicht an, dass ihm das besonders schwer gefallen ist.« McIlwraith baute sich vor Dalrymple auf und starrte ihm voller Verachtung in die Augen. »Himmelherrgott! Irgendwas müssen Sie doch über ihn wissen!«
    Während sich Dalrymple sehnlich wünschte, er könnte etwas vorlegen, irgendetwas, egal, wie unwesentlich, überkam ihn plötzlich die rettende Erinnerung. »Ich habe den Verdacht, dass sein wirklicher Name Zuyler ist«, platzte er heraus und weidete sich daran, wie die Verachtung in McIlwraiths Miene stummem Erstaunen wich. Und noch etwas anderes gab Anlass zu Triumph: Cloisterman sollte seine nutzlose Mitteilung noch bedauern. »Vielleicht kann Ihnen unser Vizekonsul hier in Amsterdam bei Ihren weiteren Erkundigungen behilflich sein.«
    Von den Ereignissen draußen in der Welt wie Lord Stanhopes Tod oder Robert Knights Verhaftung wusste Spandrel nichts. Sein Leben war auf seine schmutzige Zelle und einen heiß begehrten, gelegentlichen Spaziergang in einem von Mauern umschlossenen Gefängnishof geschrumpft. Die Wärter wussten nicht oder wollten ihm einfach nicht verraten, warum man ihn kein zweites Mal verhört hatte. Da er auf diese und alle anderen Fragen nie eine hilfreiche Antwort erhielt, hörte er schließlich auf zu fragen und verfiel in eine stumpfe Teilnahmslosigkeit, in der sein Geist so leer wie seine Tage wurde. Er sann darüber nach, ob seine Mutter je erfahren würde, was aus ihm geworden war, malte sich aber nicht aus, wie sehr sie sich um ihn sorgen würde. Sie und alle anderen Menschen, die er kannte, wurden allmählich Teile eines oft wiederkehrenden Traums - ein Traum von Karten, Straßen und einem freien, von keinen Mauern verstellten Horizont. Und wenn er dann aufwachte, wartete stets nur wieder die trübe, dunkle Wirklichkeit seiner Zelle auf ihn. Durch die vergitterten Fenster hoch oben drangen von der Stadt Geräuschfetzen zu ihm herunter, Hufgetrappel, Schritte, das Rumpeln von Wagenrädern, das Kreischen von Möwen. Stundenlang lauschte er diesen Lauten. Er beobachtete die Bewegungen

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