Die Mission des Zeichners
der Schatten an der Wand und überlegte, wovon sie stammten. Er führte lange, weitschweifige Gespräche mit seinem Vater, in denen er beide Rollen übernahm. Nach und nach verließen ihn alle Gedanken an die Zukunft. Er hatte keine Ansprüche mehr an seine Wärter, und bald würde er auch keine Ansprüche mehr an sich selbst stellen. Und dann...
Eines Wintermorgens, den Spandrel in seinem Kerker von irgendwelchen anderen Tagen nicht unterscheiden konnte, aber von dem die meisten Amsterdamer Bürger wussten, dass es Freitag, der einundzwanzigste Februar nach der neuen Berechnungsweise war, herrschte auf dem Dam, dem Platz vor dem Rathaus, zunächst der übliche Trubel der Handelsstadt. Barken wurden am Kai be- und entladen. Kaufleute vom nahe gelegenen Großmarkt drängten sich um die Stadtwaage. Auf den Fisch- und Gemüsemärkten wurden lebhaft die Geschäfte abgewickelt.
Niemand hatte Zeit oder Lust, auf den Mann zu achten, der am Fuß der Stufen zum Portal des Rathauses voller Ungeduld hin und her lief. Abgesehen davon hätte ein flüchtiger Blick auf sein vernarbtes und grimmiges Gesicht genügt, um jeden von einer ausgiebigen Musterung abzuschrecken. Wann immer dieser Mann innehielt und die mit Säulen und Giebeldreiecken verzierte Fassade des Rathauses anstarrte, war bereits klar, dass er das nicht tat, um die Statuen, die Weisheit, Gerechtigkeit und Frieden symbolisierten, zu bewundern, sondern um einen Blick auf die Uhr an der Kuppel darüber zu werfen.
Die Uhr zeigte acht Minuten nach zehn, als ein Mann um die nordöstliche Ecke des Gebäudes kam und ihm entgegeneilte, um völlig außer Atem vor ihm stehen zu bleiben. Er hatte ein weicheres Gesicht und war eleganter als der andere. Keiner der beiden Männer wirkte sonderlich erfreut über diese Begegnung. Es gab kein Händeschütteln, geschweige denn eine Verbeugung, sondern nur ein kurzes Nicken auf der einen Seite und einen geknurrten Gruß auf der anderen.
»Captain McIlwraith?«
»Aye. Und Sie sind Cloisterman, richtig?«
»Ja.«
»Sie kommen zu spät.«
»Ich kann nicht alle meine Pflichten allein Ihretwegen vernachlässigen. Hätten Sie mit mir einen Besuch in meinem Büro vereinbart, könnte ich mir denken...«
»Von Büros habe ich die Nase voll, Mann! An der frischen Luft gibt es keine Schlüssellöcher, durch die ein Diener lauschen kann. Die Amsterdamer scheinen hier einen großen Teil ihres Handels zu treiben. Dann sollte der Platz auch gut genug für Sie sein.«
»Bin ich etwa nicht gekommen?«
»Mir wurde Ihre volle Unterstützung zugesagt.«
»Dann sollten Sie mir am besten sagen, wobei ich Sie unterstützen kann.«
»Spandrel. Der Bursche, den sie hier gefangen halten...« McIlwraith reckte einen gekrümmten Daumen in Richtung des Rathauses. »Soll de Vries ermordet haben.«
»Ich bin über den Fall auf dem Laufenden.«
»Ein von den Österreichern gedungener Attentäter, glauben Sie das?«
»Nein.«
»Dann also ein Tölpel? Ein Bauer in einem verwickelten Spiel?«
»Vielleicht.«
»Wenn das wahr ist, sollten Sie dann nicht etwas unternehmen, um ihm zu helfen?«
»Das ist Sache des Richters.« Cloisterman zuckte die Schultern. »Spandrel ist eine Person ohne Bedeutung.«
»Aber der Grund, warum er hierhergekommen ist, ist von Bedeutung. Dahinter stecken tausend Dinge von Bedeutung. Und ich bin hier, um sie zu entwirren.«
»Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei.«
»Ich brauche mehr als Ihre Wünsche, Mann. Zuyler hat das Päckchen gestohlen, das Spandrel de Vries überbracht hat. Er war in Den Haag und hat versucht, es an einen Clown zu verkaufen, der dort angeblich die Interessen unserer Nation vertritt.«
»Sie meinen Mr. Dalrymple?« Die abschätzige Bemerkung über seinen Dienstvorgesetzten schien Cloisterman nicht aus der Fassung zu bringen.
»Aye, ich meine den gezierten Wäscheständer, der unter diesem Namen herumläuft. Er hat Zuyler abgewiesen. Aber Zuyler ist nicht hierher zurückgekehrt. Auch die Witwe de Vries nicht. Sie suchen anderswo nach einem Käufer. Und ein Diener von Sir Theodore Janssen namens Jupe folgt ihrer Spur.«
»Wirklich?«
»Ach, das nehme ich an. Und ich ahne auch schon, wohin Zuyler und Mrs. de Vries so zügig streben wie Jupe.«
»Wo könnte das sein?«
»Das braucht Sie nicht zu kümmern. Was mir Sorgen bereitet, ist, dass ich keine Ahnung habe, wie Zuyler und Mrs. de Vries aussehen. Spandrel aber sehr wohl.«
»Ja, und?«
»Und er hat einen Blick auf den Inhalt des Päckchens,
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