Die Mission des Zeichners
wie Sie, würde ich sagen.«
»Wenn Sie die Absicht haben, seine Gunst zu gewinnen, täten Sie gut daran, ihn nicht zu enttäuschen.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Und wenn Sie meinen Rat annehmen« - Sunderlands Augen verengten sich -, »sehen Sie zu, dass Sie genug tun.«
Die Düsternis des Londoner Winters schien inmitten der Annehmlichkeiten des toskanischen Frühlings weit entfernt. Während der Nachmittagsruhe in dem von Mauern geschützten Garten hinter dem Florentiner Palazzo des britischen Konsuls, über ihm ein saphirblauer Himmel, gewärmt von gutem Essen, vorzüglichem Wein und der strahlenden Sonne, hatte Nicholas Cloisterman zum ersten Mal das Gefühl, dass seine lange Reise von Amsterdam bis hierher die ersten Früchte trug. Sein Gastgeber, Percy Blain, war ein intelligenter Zyniker ganz nach Cloistermans Geschmack, und die Gastgeberin, Mrs. Blain, der lebende Beweis dafür, dass Zynismus vielleicht ein guter Weg zu allem Möglichen sein mochte, aber nicht zur Weiblichkeit. Kurz, nach zwei Nächten unter ihrem Dach fühlte er sich unter Freunden.
Und Freundschaft war nicht das einzige Geschenk, das er von den Blains bekommen hatte. Blain, dem er so gut wie alles anvertraut hatte, nur nicht die genaue Natur des Gegenstands, den er im Auftrag der britischen Regierung so dringend suchte, hatte ihm eine Sicherheitsmaßnahme vorgeschlagen, die sich hier, in Florenz, ergreifen ließe, um den Weitertransport des Buchs nach Rom zu erschweren, wenn nicht gar zu verhindern. Dabei waren sie auf die Kooperation der toskanischen Behörden angewiesen.
Cloisterman und der Konsul stießen auf Blains Erfolg bezüglich der Zusammenarbeit an. Der Wein schmeckte wirklich betörend gut, neben ihnen plätscherte ein Brunnen, und auf dem Tisch vor ihnen standen noch die Überreste einer köstlichen Mahlzeit.
»Wie haben Sie es geschafft, die Beamten auf Ihre Seite zu ziehen?«, fragte Cloisterman ungläubig. »Die holländischen Behörden hätten mich rausgeworfen, wenn ich mit solch einem Ansinnen zu ihnen gekommen wäre.«
»Die Holländer sind eben ein mächtiges und unabhängiges Volk«, erwiderte Blain. »Und was ist das Großherzogtum Toskana anderes als ein Bauer auf dem Schachbrett der großen Mächte? Der Großherzog ist ein alter Mann und sein Sohn und Erbe ein Kretin ohne Kinder. Laut dem Vertrag mit Spanien, für dessen Erstellung unser Lord Stanhope selig so viel Zeit und Mühe aufgewendet hat, fällt die Toskana den Spaniern zu, sobald die Medici aussterben, was über kurz oder lang der Fall sein wird. Doch nun ist Stanhope tot. Neue Minister, neue Politik. Verträge können neu ausgehandelt werden, und das ist die Hoffnung des Großherzogs, und das ist der Grund, warum seine Minister so begierig darauf sind, uns einen Gefallen zu erweisen.«
»Jeder Zollbeamte wird also nach Mrs. de Vries Ausschau halten?«
»Jede Engländerin oder Holländerin, die, egal unter welchem Namen, allein oder in einer Gesellschaft reist, wird festgehalten und durchsucht werden. Und glauben Sie mir, die Zöllner brauchen nicht eigens dazu ermuntert zu werden, eine solche Aufgabe mit äußerster Sorgfalt durchzuführen.«
»Wenn sie aber nicht durch die Toskana fährt?«
»Das wäre ein gewaltiger und von ihrem Standpunkt aus gewiss unnötiger Umweg.«
»Das stimmt«, räumte Cloisterman ein. Estelle de Vries würde möglichst auf direktem Weg nach Rom wollen. So viel stand fest. Zugleich warf genau das ein Problem auf, das Blain nicht für ihn lösen konnte. »Aber wenn sie aufgrund dieser Überlegung... ?
»Schon durchgereist ist?«
»Richtig.«
»Meine Erkundigungen legen das zwar nicht nahe, aber ich muss zugeben: ganz ausschließen lässt es sich nicht.«
»Ich muss also weiter.«
»Schade. Ihr Besuch war Lizzie und mir eine Freude.«
»Die Freude war ganz meinerseits.«
»Zu Rom und dem, was Sie dort erwartet...« Blain grinste. »Der so genannte Hof des Prätendenten besteht aus einem Haufen rauflustiger Schotten. Selbstverständlich haben wir einen davon in unseren Diensten. Mehr als einen, wage ich zu behaupten. Nur vertrauen mir unsere Herren in der Whitehall nicht alle ihre Geheimnisse an. Einen Namen kann ich Ihnen allerdings nennen: Colonel Lachlan Drummond. Allzu sehr würde ich mich zwar nicht auf ihn verlassen, aber wenigstens kann man ihn benutzen. Was nun...« Blain unterbrach sich, weil seine Frau von der schattigen Loggia auf sie zugeeilt kam. »Was ist, meine Liebe?«
»Eine
Weitere Kostenlose Bücher