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Die Mission

Die Mission

Titel: Die Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Rees
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war der ganze Spuk vorbei, wie durch ein Wunder. Als sich die Nacht herabsenkte, hörte man eine Sirene, und dann zog sich die SS erneut zurück. Trixie wagte kaum zu glauben, was sie sah, und sank hundemüde auf die Knie. Im gleichen Moment spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
    Als sie aufsah, blickte sie in das Gesicht eines jungen Leutnants mit einer grünen Jacke. »Haben Sie hier den Befehl?«, fragte er.
    Trixie hatte nur noch die Kraft zu nicken.
    »Sie und Ihre Kämpfer sollen sich in die Jerusalem-Allee zurückziehen. Halten Sie sich dicht an den Häusern. Ich werde die Nachhut bilden. Viel Glück.«
    Sie spürte, wie Wysochi ihr half, wieder auf die Beine zu kommen. Sie versuchte, den Schutt aus dem Haar zu schütteln, und sah sich noch einmal um. Von den zweihundert Kämpfern am Anfang der Schlacht hatten höchstens fünfzig überlebt. Das war sehr knapp gewesen.
    »Wir ziehen uns in die Jerusalem-Allee zurück«, rief sie ihren Männern mit heiserer, ausgetrockneter Stimme zu und wandte sich an den Leutnant. »Danke, Leutnant.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Bevölkerung von Warschau hat Ihnen zu danken.«
    Sturmbannführer Hartley saß wie betäubt in seinem Zimmer und spielte gedankenverloren mit seinem Glas. Eine fast leere Flasche von Blood Heat’s Finest 20prozentiger Lösung stand auf seinem Schreibtisch, stummer Zeuge seiner Selbstkasteiung.
    Er griff nach der Flasche und versuchte, sein Glas zu füllen, doch seine Hand zitterte dermaßen, dass er die rote Flüssigkeit auf dem Tisch verschüttete. Er lallte einen Fluch, zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und versuchte, die Lösung aufzuwischen. Schließlich gab er auf und senkte die Stirn in die erfrischend kalte Pfütze.
    Auch ohne sternhagelvoll zu sein hätte er nicht fassen können, wie die Polen – diese schlecht bewaffneten und schlecht ausgebildeten Polen, noch dazu in der Minderheit – seine geliebten SS -Truppen in die Flucht hatten schlagen können.
    Er hatte noch nie Männer – oder Frauen! – so kämpfen sehen. Als hätten sie keine Angst vor dem Tod. Er hatte die Unruhen miterlebt, er war ein Veteran, der glaubte, alles durchgemacht zu haben, was der Krieg an Schrecken zu bieten hatte, aber so etwas wie diese polnischen Widerstandskämpfer hatte er noch nie erlebt. Sie wüteten wie Besessene und warfen sich todesmutig in die Schlacht gegen die Sturmtruppen, ohne Rücksicht auf Verluste. Einen Augenblick fragte er sich, ob sie unter Drogen standen oder man ihnen zusätzliche Blutkonserven verabreicht hatte, doch im Innern war ihm klar, wie lächerlich das war. Nur die Verzweiflung setzte derartige Kräfte frei … und die Bestie, die sie anführte.
    Wie nannten seine Sturmtruppen diese Frau noch? Lady Death?
    Kein Wunder, dass er versagt hatte. Und für einen Versager gab es in der SS nur eins.
    Sturmbannführer Hartley sah auf die Uhr. Es war jetzt fast acht. Seine beiden kleinen Söhne würden bereits im Bett liegen. Er legte den an seine Frau adressierten Umschlag vor sich auf den Tisch. Dann griff er nach seiner Mauser und jagte sich eine Kugel in den Kopf.

28
    Demi-Monde:
79. Tag im Winter des Jahres 1004
    Es war der umsichtige nuJu Abraham Eleazar, der für sein Volk in NoirVille eine Heimat fand, bekannt unter der Bezeichnung Jüdischer Autonomer Distrikt der nuJus (JAD). Eleazar entwickelte auch einen chemischen Zusatzstoff – Aqua Benedicta –, der die Gerinnung von Blut verhindert und den Blutsbrüdern ermöglichte, das Blut, mit dem sie Handel trieben, zu lagern und zu konservieren. Aqua Benedicta machte die Blutsbrüder zu den mächtigsten Bluthändlern in der Demi-Monde. Die Einrichtung des JAD lag im Interesse beider Parteien: Shaka und seine Blutsbrüder sicherten sich einen stetigen Nachschub an Aqua Benedicta, und als Gegenleistung respektierten sie die Unabhängigkeit des JAD und das Recht der JADniks, die WhoDoo-Religion zu praktizieren. Die einzigen Spannungen in dieser Beziehung ergeben sich daraus, dass das JAD ein Zufluchtsort für woeMen aus NoirVille wurde, die vor ihren Ehemännern oder Vätern flohen.
    – Schmuel Gelbfisz, Rechnet nicht mit uns: Eine kurze Geschichte des JAD, JAD Hipster Bücher und Comics
    »Ich habe Läuse!«, kreischte Norma Williams, sprang auf und fuhr sich mit den Fingern wild durchs Haar.
    Vanka lachte. »Alle hier haben Läuse. Warum sollten Sie keine haben?«
    Das stimmte. Im beengten, überfüllten und vom Krieg verwüsteten Ghetto mit seinen katastrophalen

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