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Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
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Sonne wirkten ihre Augen fast grün. Ihre Augen lächelten. Wir müssen?
    Er nickte, er konnte es nicht erwarten. Werd meine Frau.
    Helene musste sich kaum strecken, um ihn auf den Mund zu küssen. Ich bin dein, flüsterte sie.
    Im Frühjahr? Er wollte sich versichern, er nahm ihre Hand und ging voran.
    Im Frühjahr, bestätigte sie. Sie ließ sich nicht ziehen, sie holte auf und ihrer beider Schritte wurden immer schneller. Sie waren eingeladen. In der Achenbachstraße brannten schon die Lichter. Fanny war noch mit Vorbereitungen beschäftigt, sie brauchte die Hilfe ihres Personals und bat Carl und Helene, mit Cleo eine Runde zu gehen. Als sie später zurückkehrten, war die Wohnung voller Gäste. Aus dem Trichter klang eine knarzige Stimme und beklagte ihre Zeit. Der Vetter aus Wien, den Helene nur flüchtig kannte, stürzte sich schon beim Eintreten an der Tür auf sie. Er freue sich so sehr, Helene zu sehen, und habe ihr schönes Gespräch vor zwei Jahren nie vergessen können. Helene überlegte, welches Gespräch er wohl meinte. Sie erinnerte sich nur vage, es ging um Kindererziehung. Es sei zu schade, sagte der Vetter mit seiner feuchten Aussprache, dass sie kein Französisch spreche. Jetzt legte er seine große weiche Hand auf Helenes Arm. Er habe schon überlegt, ob er ihr ein Angebot als Privatlehrerin für seine Töchter machen könnte. Erstaunt sah Helene ihn an. Es wäre zu schön, wenn Sie nach Wien kämen. Sie könnten unser Mädchenzimmer haben, wir sind doch Verwandte.
    Ob sie die Mäntel abnehmen dürfe? Otta fragte offenbar nicht zum ersten Mal. Helene drehte sich erleichtert zur Seite, zog ihren Mantel aus und tauschte mit Carl, der geduldig neben ihr wartete, einen Blick. Helene ergriff seine Hand.
    Wie ich von Fanny gehört habe, ist Ihnen die Reifeprüfung prächtig gelungen? Na, wer hätte was anderes erwartet. Ich bin sicher, dass Sie meine Töchter wunderbar unterrichten werden, es sind zwei.
    Mein Verlobter, Carl Wertheimer, sagte Helene jetzt mitten in den Satz des Vetters hinein. Der Vetter schluckte, sein Blick fiel zum ersten Mal auf Carl.
    Freut mich. Der Vetter streckte Carl die Hand entgegen. Sie haben also das Glück, der Vetter musste offenbar nachgrübeln, welches Glück er annahm, dass Carl es hätte. Das Glück, hob er ein zweites Mal an, diese schöne junge Frau in die Ehe zu führen.
    Carl verheimlichte weder Freude noch Stolz. Es war das erste Mal, dass Helene ihn als ihren Verlobten vorgestellt hatte. Wir werden Sie zur Hochzeit einladen, sagte Carl freundlich. Sie entschuldigen uns? Carl schob Helene vor sich her, um durch die im Flur wartenden Gäste in den Salon zu gelangen. Dort saßen und standen die Menschen dicht beieinander. Martha unterhielt sich mit den neuen Untermietern, sie wirkte neben den Leuten groß und blass und nüchtern. Sie hielt ein Glas in der Hand und Leontine veranlasste, dass ihr Wasser nachgeschenkt wurde. Zu Helenes Überraschung entdeckte sie neben Leontine die wohlbekannte Stirnglatze des Barons. Er stand mit dem Rücken zur Tür und sah Helene nicht kommen.
    Wie schön, Sie zu sehen, sagte Helene, sie tippte ihm an die Schulter.
    Helene, der Baron breitete mit leicht gekrümmten, nach oben geöffneten Händen seine Arme aus, eine Geste, die zugleich Distanz ausdrückte. Er nahm Helenes Hand und küsste sie.
    Geht es Ihnen besser, konnten Sie sich erholen?
    Keine Spur. Bei meiner Ankunft diagnostizierte der Arzt: Erkältung des Herzens, Helene, was sagen Sie dazu? Einen Augenblick sah es so aus, als wolle sich der Baron vor allen Leuten bloßstellen. Der Baron sah forsch in die Runde, doch schon beeilte er sich herzhaft zu lachen. Davos ist längst nicht mehr, was es war. Ein paar Siechende, denen man besser nicht begegnen will, und viele Hysteriker, die den lieben, langen Tag Krankengeschichten austauschen und wie getrieben durch die Kurparks eilen. Sie pilgern in Grüppchen zum Waldsanatorium.
    Nicht wahr? Sagte jetzt eine kleine schmale Person, die He lene noch nicht kannte. Offenbar bewunderte das zarte Wesen den Baron, es lauschte mit dem Finger am Ohr.
    Aber dort erhält der Normalsterbliche ja nicht einmal Einlass. Der Baron freute sich, endlich Zuhörer zu haben. Da behauptete ich einfach mit wichtiger Miene, ich sei mit einem Monsieur Richter verabredet. Der Name fiel mir gerade so ein. Der Portier nickte, ihm war das recht, und er ließ mich eine Zeitlang in einem großen Sessel versinken. Ich tat, als würde ich warten. Unerträglich,

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