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Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
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auf liebendes, vergötterndes Gefolge.
    Neugierig blickten die Mädchen auf, noch nie hatten Martha und Helene einen Adligen aus der Nähe kennengelernt. Doch wie sich schon bald im Gespräch herausstellte, war er nicht adlig. Einzig sein Name lautete Baron, Heinrich Baron.
    Er besaß nicht viel, vor allem wenig Geld. Das wenige, das er hatte, wollte er mit einem jungen hübschen Mädchen teilen, das ihm Modell stehen wolle und ihn zeichnen lasse, zeichnen bis zum Umfallen. Der Baron war ein kleiner Mann, klein war einer, der genauso groß war wie Helene. Seine Stirn war hoch, licht war das Haar, eine Schneise deutete sich von der Stirn bis zum Hinterkopf an. Sie mochte seine Augen, die mit ihrem traurigen und verlorenen Ausdruck wohl leicht Vertrauen weckten und ein junges Mädchen wie Helene größer erscheinen ließen.
    Auch wenn es Helene unangenehm war, wie die Augen des Barons an ihr klebten, so versprach sein Augenmerk einen gewissen Schutz vor dem großen Erich, der nun kaum noch eine ungestörte Gelegenheit fand, Helene in eine dunkle Ecke zu schubsen und ihr, während Fanny nur kurz in die Küche gegangen war, um nach Otta zu schauen, und Martha im Krankenhaus arbeitete und lediglich Cleo mit ihren aufmerksamen Augen und zuversichtlich wedelndem Schwanz Zeugin wurde, eine Hand auf die Brust zu legen, um ihr im selben Augenblick die dicke, nasse Zunge ins Ohr zu stoßen und schnaufend seine Zunge in ihrer Ohrmuschel zu wälzen. Sobald Helene hörte, die erschrocken den Atem anhielt und der es nicht einfiel, laut zu rufen, an den leichten Trappelgeräuschen von Cleos Beinen, dass Fanny aus der Küche zurückkam, und waren endlich auch ihre Schritte zu hören, ließ Erich so plötzlich von Helene ab wie er nach ihr gegriffen hatte, und trat festen Schrittes Fanny entgegen. Ob sie nicht ihren Schläger nehmen und mit zum Grunewald kommen wolle, er habe ein Automobil geliehen, sie fahre doch so gern.
    Eines Tages setzte der Baron seine Brille ab, putzte sie und fuhr sich sacht mit der flachen Hand über seine ausgeprägte Stirnglatze. Er fragte Helene, ob sie etwas verdienen wolle. Helene fühlte sich geschmeichelt, noch nie hatte ein Maler sie zeichnen wollen. Sie schämte sich. Wer außer Martha hatte sie schon nackt gesehen?
    Scham ist etwas für andere Mädchen, nicht für Schönheiten wie sie eine sei. Das sagte der Baron laut aus der anderen Ecke des Zimmers, in dem sie sich an einem Sonntagmorgen, an dem niemandem mehr einfiel zur Kirche zu gehen oder auch nur an Gott zu denken, verabredet hatten. Er hoffte, Helene damit hinter dem Paravent hervorzulocken. Sie sollte es ja nicht umsonst tun, sich zeigen. Sie bekam etwas dafür. Der Baron wedelte mit einem Schein. Dass ihre Brüste winzig waren, störte den Baron wenig, er hielt es für ein Zeichen ihrer Jugend. Ihr blondes Haar machte ihn froh. Er lachte, sie sei ja noch ein Kind. Das gefiel ihm und er zeichnete und fiel und fiel einfach nicht um. Helene wurde müde. Nach einigen Wochen sagte er, sie sei eine Magierin, da sie jeden Tag anders aussähe und ihn neu sehen ließe. Der Baron sprach davon, dass sie ihm neue Augen schenke, jeden Tag. Er gab ihr die frischgepressten Münzen und die druckfrischen Scheine, auf denen jetzt nicht mehr Rentenmark, sondern Reichsmark stand, und die Helene wie Eintrittskarten in ein selbstbestimmtes Leben erschienen.
    Helene ging nun tagsüber in die Apotheke, bewies dort ihre Verschwiegenheit, und abends zog sie sich für den Baron aus, für einen Baron, der sie als Magierin und Kind sah und in dessen Gegenwart sie sich doch zum ersten Mal als Frau fühlte. Das verheimlichte sie ihm. Schließlich lag es an der Scham und an der Aufregung, nicht etwa an seinem taxierenden Blick, mit dem er um sie herum schlich, sie bat, sich zu setzen, zu legen, den Arm anzuwinkeln, und das linke Bein etwas mehr nach außen, ja, so zu spreizen; und bald hatte er eine Sehnenentzündung. Helene musste an jenen Drachen denken, der auf dem Felsen lebte und sich von Jungfrauen ernährte. Sie war sich keiner Schuld bewusst, er erregte ihr Mitleid. Er konnte die Kohle nicht mehr halten. Helene sollte sich nicht mehr ausziehen. Sie verdiente nicht mehr sein weniges Geld und ging nun länger in die Apotheke.
    Abends, wenn sie aus der Apotheke kam, brachte Helene in einer kleinen Schachtel weißes Pulver mit, das sie Fanny zum Beweis ihrer Vertrauenswürdigkeit wortlos auf den Nachttisch stellte. Für Martha sorgte Leontine, wenn auch widerwillig,

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