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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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durchzudrehen. Pfingsten 1946 endlich die Ausweisung. In 50 Viehwaggons wird man abtransportiert.
    Nach Deutschland!
    In das Land der Zukunft!
     
     
    Die Erinnerung hat stets einen Geruch. Für Lotte ist es der Geruch von Kartoffeln. Gekochte Kartoffeln und die Haut des Anderen.
    Ein Knecht, groß und stämmig, mit fliehender Stirn und eng zusammenstehenden Augen. Er schlägt Lotte den Eimer aus der Hand und drückt sie ins Stroh. Er öffnet sich über ihr und sie schreit.
    Niemand hört sie.
    Und er befriedigt sich an ihr.
    Nicht nur einmal.
    Und Lotte schweigt. Und wird es immer tun. Denn jeder ist ein Mond und hat nur eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt.

11
     
    » Es war kein Unfall«, sagt Frank Wille. »Ich kenne unsere Tochter. So etwas würde sie nie zulassen.«
    » Sie war angetrunken, als die Polizei kam.«
    » Sie hat das Fenster geöffnet und das Kind in die Tiefe fallen lassen.« Frank seufzt.
    » Du kannst es nicht beweisen«, antwortet Lotte.
    Er runzelt die Stirn. »Und wenn schon ... ich will es nicht beweisen. Vielleicht ist es gut so.«
    Lotte und Frank Wille sitzen im Garten. Frank hat den Rasen gemäht und Lotte Unkraut gezupft. Der Himmel ist grau und der Herbst lugt durch die Äste. Es duftet nach frischem Gras und Ackerboden.
    Frank blickt zum Auto. »Das sollten wir auch noch waschen. Es ist dreckig.«
    Lotte, die ahnt, dass er ablenkt, schweigt.
    »Und den Sicherheitsgurt installieren. Ich fahre schon drei Wochen ohne, und wenn man mich erwischt, muss ich vierzig Mark zahlen. Dieses bescheuerte neue Gesetz bringt den Firmen wieder eine Menge Geld. Kaum ein Auto hat Sicherheitsgurte serienmäßig. Alle müssen nachgerüstet werden.«
    Lotte reicht Frank eine geöffnete Bierflasche. Er nippt und stellt sie zurück. Er trinkt nur noch selten, da ihm der Alkohol die Atemluft nimmt. Er stützt die Hände auf die Oberschenkel und sieht Lotte an. »Was sollen wir tun, Lottchen? Sollen wir akzeptieren, dass Ottilie den Tod ihrer Tochter zugelassen hat?«
    » Sie hat sechs Monate auf Bewährung gekriegt wegen mangelnder Aufsichtspflicht, Frank. Willst du strenger sein als das Gesetz?«
    » Pah, das Gesetz!«
    » Es ist schlimm genug, dass der Hausbesitzer sich sträubt, ihr eine ordentliche Entschädigung zu zahlen, denn die sechs Monate für Ottilie sprechen gegen sie. Also lass es, wie es ist.«
    Lotte kehrt es unter den Teppich, denkt Frank. Und er auch. So, wie stets alles darunter gekehrt wird. Ist das eine Gepflogenheit der Menschen, die den Krieg erlebt haben? Man will keine Probleme mehr, die nicht sein müssen, denn es gab genug davon. Oder ist es einfach nur ... Familie?
    Es ist, wie es ist und nichts ist daran zu ändern!
    Er schüttelt den Kopf. »Ich war mein ganzes Leben lang ein Mann, der sich an die Gesetze gehalten hat, abgesehen von kleineren Vergehen wie Flaggenklau, oder fahren ohne Sicherheitsgurt. Und nun soll ich akzeptieren, dass unsere Tochter ...«
    » Du sagtest selbst, du willst es nicht beweisen. Also entscheide dich. Rede mit Ottilie oder lasse es. Aber dann auch wirklich, ohne Kompromisse. Jasmina machst du nicht wieder lebendig.«
    » Können wir damit leben?«, flüstert er.
    » Wir können damit leben, wenn wir Ottilie Glauben schenken.«
    » Ich sehe in ihren Augen, wenn sie lügt.«
    » Ja ...« Lotte senkt den Kopf.
    » Habe ich dir je vom Ehrenkodex der Fremdenlegionäre erzählt? Nein? Punkt Sieben lautet: Im Kampf handelst Du ohne Leidenschaft und Hass. Du achtest Deine besiegten Feinde. Unter keinen Umständen gibst Du Deine Gefallenen, Verwundeten oder Waffen auf.«
    » Und was hat das mit Ottilie zu tun?«, will Lotte wissen.
    » Willst du mir ein paar Minuten zuhören? Dann erkläre ich es.«
    Sie nickt.
    »Es war in Kambodscha.«
    Frank hatte vier Jahre bei der Fremdenlegion, dem 3e régiment étranger d'infanterie gedient, und der Krieg hatte ihn in den Dschungel geführt.
    » Es geschah ungefähr drei Monate, bevor ich meinen Freund, Colonel Legrange, erschoss.«
     
     
    Über dem Dschungel liegt ein feuchter Hauch, dessen süßer Geruch nach Aas und fauligem Grün den Männern des 3. REI den Atem raubt. Kambodscha. Die grüne Hölle.
    Die Männer haben Ruhe, wochenlang geschieht nichts. Doch dann bringen vietnamesische Partisanen 600 unschuldige französische Zivilisten um, und der Guerillakrieg beginnt.
    Die Ausrüstung der Fremdenlegionäre ist schlecht. Alles wirkt gestückelt, improvisiert. An Fahrzeugen findet sich alles, von

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