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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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in seinem Buch schreibt, lässt euch die Haare zu Berge stehen. Korrupte Journalisten, Hetzkampagnen gegen unbescholtene Bürger und so weiter. Die jagen Menschen in den Tod, ohne mit der Wimper zu zucken. Alles für die Auflage und eine Schlagzeile. Wenn das so weitergeht, werden irgendwann doppelt so viele Leute dieses Schundblatt lesen, und wir haben wirklich eine fünfte Macht im Staat. Dann wird die Bildzeitung Politiker machen oder stürzen und schalten und walten können, wie sie es will. Das ist noch schlimmer, als Nazis auf hohen Posten, denn die werden dann alle verstorben oder pensioniert sein.« Er prostet ihnen zu. »Soviel zur Zukunft Deutschlands!«
    Traudel schüttelt missbilligend den Kopf. »Du redest wirres Zeug. Es ging nicht um Deutschland, sondern um die Bergleute. Wenn man dir zuhört, könnte man meinen, du findest gut, was diese verrückten Terroristen tun. Trink bitte langsamer.«
    Piefke grinst und schweigt. Er tastet nach Zigaretten und zündet sich eine filterlose Roth-Händle an. Gundel wedelt mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht, um den scharfen Geruch des schwarzen Tabaks zu vertreiben.
    »Wo waren wir stehengeblieben?«, fragt Otto leise.
    » Beim Fahnenklauen«, sagt Frank. »Und dabei, wie schnell zehn Jahre vergehen. Als wäre es gestern gewesen.«
    Sie sind satt und Lotte räumt einige gebratene Fleischstücke zur Seite, die sie für Ottilie aufheben will. Wo bleibt sie? Es wird immer später.
    Die Verschlüsse der Bierflaschen schnappen auf. Die Metallbügel klimpern am Glas. Niemand trinkt aus dem Glas. Um zu verdauen, einen oder zwei Apfelkorn und dann noch einen.
    Ein kühler Wind streicht über den Garten, doch niemand spürt ihn, denn man ist erhitzt vom Essen, vom Alkohol und den Gesprächen, die sich um alles Mögliche drehen, hauptsächlich um Deutschland, um das, was sich ändert und um die Vergangenheit. Besonders die Männer loben sich und verweisen darauf, dass sie tolle Kerle waren, die allem und jedem getrotzt haben, und die Frauen verdrehen belustigt die Augen.
    Lotte freut sich für Frank und erlebt ihn seit langem mal wieder locker und entspannt, fröhlich und lachend, ganz im Kreis seiner Imagination, dort, wo er sich belügen kann, ohne dass es jemand merkt, dort, wo man ihn ernst nimmt, im Kreis der Freunde, der Männer, mit denen er manches erlebte, besonders mit Otto, was schlimm war, doch auch das ist vorbei, vergessen, gestern, und geblieben ist das Helle, das Schöne, der Traum, man könne es wiederbeleben, was nicht funktioniert, und wenn es auch nur am mangelnden Lungenvolumen scheitert.
    Weißt du noch?
    Die meistgestellte Frage.
    Damals?
    Ja, das waren Zeiten!
    Und Lotte erkennt, dass sie alt geworden sind, denn sie leben nicht mehr in der Gegenwart und falls doch, ist diese Gegenwart grau geworden oder dunkel. Sie bietet nichts mehr. Sie alle kennen die Straße und sie kennen deren tiefe Löcher. Sie haben die dunkle Form der Erfahrung gemacht – sie haben Irrtümer begangen. Sie haben erlebt, dass es keinen bequemen Weg gibt, der zu den Sternen führt. Sie beschäftigten sich mit dem, was getan worden war und interessierten sich nicht für das, was getan werden sollte. Fehlt es ihnen letztendlich an Weisheit? Oder überlassen sie das Feld kampflos den Jungen? Thomas, Ottilie und den vielen anderen? Man mag noch so viele Jeanshosen im Schrank aufbewahren, wenn die innere Einstellung verkarstet, nutzt das nichts. Gegenwartslust kann man sich nicht über die Beine ziehen, Hoffnung nicht bügeln oder putzen.
    Lotte betrachtete sie.
    Otto, der bald alleine leben wird oder mit seiner Freundin zusammen. Ahnt er, was er sich antut? Was er verliert? Oder ist er glücklich, endlich wieder ein begehrter Mann sein zu dürfen?
    Gina, die selbstbewusst gehen wird, die den Sex hasst und innerlich einsamer ist denn je. Ahnt sie, was auf sie zukommt? Die Einsamkeit? Und die Erkenntnis, dass es auch bei einem anderen Mann nicht anders sein wird? Vielleicht bei einer Frau. Um Konventionen hat Gina sich noch nie geschert.
    Traudel, die ihren Mann behandelt wie ein Kind und dennoch loyal zu ihm steht. Ahnt sie, wohin sie dieses partnerschaftliche Ungleichgewicht führt? Was sie ihrem Mann antut, wenn sie ihn verbiegt?
    Rudi, der nach wie vor zu viel säuft und dessen verschüttetes Selbstbewusstsein hin und wieder aufblitzt, um sofort wieder zu versiegen. Ahnt er, wie wenig von ihm noch existiert?
    Frank, der vor ein paar Stunden feststellen musste, dass ihn das

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