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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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kommt die Kür.
    »Wie alt ist Ihre Tochter?«
    » Sie wird jetzt ein Jahr alt«, sagt Frau Ludgers.
    » Wie heißt sie?«
    » Petra.«
    » Für Ihre Petra habe ich etwas ganz Besonderes.« Thomas redet nicht über Geld, denn er ist der gütige Weihnachtsmann und was er nun vorträgt, offeriert er nur guten Freunden oder den Ludgers. »Wenn sie einundzwanzig ist, wird sie sich vielleicht auf eigene Beine stellen. Und dann soll sie ein schönes Startkapital haben, nicht wahr?« Er wartet nicht auf die Antwort, was fatal sein kann, sondern nickt freundlich, nicht wie ein Verkäufer, sondern wie der Onkel Doktor, der weiß, was gut ist für diese junge Familie.
    » Sechzigtausend Mark. Ich wäre froh, ich hätte so etwas bei meinem Start ins Leben gehabt.«
    Herr Ludgers reißt die Augen auf und will abwehren. Ist sowieso alles schon sehr teuer, aber seine Frau legt ihm die Hand auf den Unterarm. Diese Geste ist aussagekräftiger als jedes weitere Wort. Thomas sieht das, aber er lässt es sich nicht anmerken. Er tut so, als wolle er sich gleich verabschieden, aber die Saat ist gesetzt.
    »Wie funktioniert das?«, will Frau Ludgers wissen.
    Thomas erklärt es und die monatliche Belastung scheint im Vergleich zum zuvor geschlossenen Vertrag unerheblich. Das ist Relativität, denkt Thomas belustigt. Er wittert, dass er das Geschäft nicht sicher hat, und zieht den Joker. Er ist seine Erfindung, nicht gelernt, sondern in der Praxis entwickelt. Er lehnt sich zurück, als sei für ihn das Thema so gut wie beendet.
    »Das kostet zwanzig Mark im Monat. Okay, das ist eine Menge Geld.«
    Die Ludgers nicken und Tomas hat sie erneut am Haken. Er ist kein Verkäufer, sondern ein Gleichgesinnter, der den Wert des Gelds zu schätzen weiß.
    »Ich möchte Ihnen etwas erzählen.«
    Sie hören zu, warten gebannt auf seine Worte.
    »Kürzlich war ich bei einer Familie und bot ihnen dasselbe an. Zwanzig Mark im Monat und sechszigtausend Mark, wenn das Kind einundzwanzig ist. Der Vater sagte mir: ‚Wenn mein Kind mal was haben will, soll es gefälligst dafür arbeiten!’« Er lässt den Satz wirken und setzt ihm die Krone auf. »‚Für meinen Balg spare ich keinen Pfennig. Hat für mich schließlich auch niemand gemacht.’«
    Frau Ludgers wirkt entsetzt, ihr Mann kneift die Lippen zusammen. Sie sind drei Menschen, die sich innerlich über die Hartherzigkeit dieses Vaters echauffieren.
    Der zweite Vertragsabschluss ist nur noch Formsache, Thomas wechselt noch ein paar Sätze, kommt auf die schönen Wandbilder zu sprechen und verlässt das Haus als guter Freund der Familie.
    Im Auto zündet er sich eine Zigarette an und fährt davon.
    Zweihundertsechzigtausend Versicherungssumme in einer Stunde. Das sind ungefähr sechstausend Mark Provision. Es ist so einfach, ist ein Kinderspiel. Erfülle die Träume der Menschen und sie geben dir, was du willst.
    Er lacht und macht sich auf den Weg nach Hause zu Lydia.
     
     
    Er merkt sofort, dass etwa nicht stimmt. Das ist wie ein unschönes Wandbild oder ein schiefes Billy-Regal. Man nimmt es nur aus dem Augenwinkel wahr, es ist wie der Hauch eines üblen Geruches, etwas Störendes.
    Lydia hat Depressionen. Keine der stillen Art, keine, bei denen sie sich verkriecht oder weint oder stumm ist. So ist sie oft seit dem Attentat und Thomas fürchtet sich schon jetzt vor dem, was der Abend bringen wird. Er kennt das, trotzdem kann er sich dagegen nicht wappnen, so sehr er es versucht. Niemand weiß etwas davon, es ist ihr Geheimnis. Und es ist ihr Fluch.
    »Na, mal wieder harmlose Bürger über den Tisch gezogen?«, sagt sie und die Kälte in ihrer Stimme lässt Thomas frösteln.
    » Du lebst ganz gut davon«, antwortet er müde.
    » Geld ist nicht alles.«
    » Ich erinnere dich daran, wenn wir das nächste Mal in der Karibik sind.«
    » Scheiß auf Karibik!«
    T homas entkorkt eine Bierflasche und trinkt noch am Kühlschrank daraus. Er wirft sein Jackett über die Stuhllehne und blickt auf die rothaarige Frau hinunter, die am Küchentisch sitzt und an einem Weinglas nippt, während im Radio leise Phil Collins schmalzt.
    » Dir geht es wieder nicht gut?«, fragt Thomas mitfühlend.
    Sie starrt ihn an. »Spar dir dein Mitleid.«
    Er zuckt die Achseln und will zum Fernseher. Vielleicht läuft was auf einem dieser neuen Sender. RTL plus oder PKS oder diese Serie mit Dietrich Lowitz, Der Alte , denn das sieht Thomas gerne. Sollte heute nicht ein Rockpalast-Konzert mit Rory Gallagher wiederholt werden? Das

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