Die Mitternachtsprinzessin
entschied er sich für den Boden, aber selbst mit niedergeschlagenem Blick konnte er noch ihre reizenden Füße in den hochhackigen Pantoffeln aus passender schwarzer Seide sehen. Der ebenholzschwarze Schleier ihres Nachtgewands war außerdem durchscheinend genug, um ihm die schlanken Umrisse ihrer schönen Beine zu zeigen. Noch immer glaubte er zu spüren, wie sie sie um seine Hüften schlang. Er erinnerte sich daran, wie sie sich ihm in seinem Bett entgegengedrängt hatte, ihn gebeten hatte, sie zu nehmen.
Er schluckte schwer, verfluchte seinen Körper für die Lust, die er in den Lenden spürte. Nein, nein. Das kam gar nicht infrage. Er wandte seinen Blick ungefährlicheren Regionen zu, zum Beispiel der bemalten Decke.
Dabei verschränkte er die Hände höflich hinter dem Rücken und versuchte sich zu erinnern, warum zum Teufel er hierhergekommen war.
„Hier.“ Sie trat noch näher zu ihm. „Koste davon.“
„Was?“, stieß er heiser hervor.
„Davon“, erklärte sie und hob ihm ihr Glas entgegen. „Das ist ein harmloses Glas Wein.“
„Ich bin im Dienst“, erklärte er.
Sie lachte. „Der Mann aus Eisen. Ich befehle dir, von diesem Wein zu kosten. Er ist aus Griechenland. Außerdem müssen wir unseren Sieg feiern.“ „Welchen Sieg?“
„Die Osmanen versuchen nicht, mich zu töten. Jedenfalls glaube ich, dass sie es nicht sind. Was glaubst du?“
„Ich - gebe dir da recht.“
Sie runzelte die Stirn. „Stimmt etwas nicht?“
„Nein, alles in Ordnung“, erwiderte er, starr wie ein Zinnsoldat.
„Gabriel“, schalt sie ihn mit königlichem Lächeln und den betörenden Blicken einer Zauberin.
Er leckte sich über die Lippen und blickte wieder hoch zur Decke. „Dein Gewand verwirrt mich.“
„Oh, das tut mir sehr leid“, flüsterte sie kokett, zupfte an ihrem Hausmantel und fügte hinzu: „Soll ich dies lieber ausziehen?“
Er sah ihr in die Augen, und der Glanz darin zeigte ihm, dass sie sehr genau wusste, wie er empfand. Warum sollte er also versuchen, das zu verbergen?
Er lächelte, streckte den Arm aus und umfasste ihren Ellenbogen. „Verführerin“, meinte er und zog sie näher zu sich. „Du glaubst, du kannst mich verlocken und damit davonkommen?“
„Nur ein bisschen.“
„Dieses Spiel können auch zwei spielen. Gut, dann zieh es aus. Ich werde dir helfen.“ Er schob seine Finger unter die hauchdünne schwarze Seide an ihrem Hals. Behutsam entledigte er sie des Stoffes an dieser Stelle.
Mit einem leisen Seufzer wandte sie den Kopf ab, hielt ihm die Schulter für einen Kuss entgegen. Er betrachtete die zarte Haut, die sie ihm darbot. Sein Herz raste, er konnte nicht widerstehen. Er versuchte es nicht einmal, sondern neigte den Kopf und drückte die Lippen auf ihren hellen Teint. Dabei schloss er die Augen, genoss ihren Duft, die Süße ihres warmen Körpers.
Schließlich öffnete er die Augen wieder, berührte ihre Wange, schob ihren Kopf zurück, sodass er ihre Lippen küssen konnte. Doch Sophia ließ ihn innehalten, legte eine Hand behutsam auf seine Brust und wich zurück.
Gabriel sah sie fragend an.
Sie hielt ihn weiter auf Abstand, trotz der Leidenschaft, die er in ihren Augen las.
„Nein, Gabriel“, flüsterte sie bedauernd. „Wir können das nicht tun. Es tut mir leid.“
„Warum nicht? Ich verzehre mich nach dir.“
„Du kennst den Grund.“
„Es ist mir egal.“ Er griff nach dem Stoff ihres Hausmantels und wollte sie näher an sich ziehen, doch sie wehrte sich. „Ich würde eine Kugel dafür in Kauf nehmen.“
„Aber ich nicht, Liebling.“ Leicht bebend löste sie sich aus seinem Griff, machte kehrt und entzog sich ihm.
Am anderen Ende des Zimmers stellte sie das Weinglas hin, nahm ein loses Gewand aus rubinrotem Damast in die Hand und hüllte sich darin ein. Gabriel neigte den Kopf und versuchte, seinen Mangel an Selbstbeherrschung zu bedauern. Aber er konnte es nicht.
„Es tut mir leid“, sagte er, als sie wieder bei ihm war. „Bitte entschuldige dich nicht“, sagte sie. „Es war mein Fehler, ich hätte das nicht tun sollen.“ Mit gesenktem Kopf und geröteten Wangen mied sie seinen Blick und schloss den Gürtel um ihre Taille. „Ich hätte etwas Anständiges tragen sollen.“
„Ich bin kein kleiner Junge, Sophia. Ich sollte mich beherrschen können. Außerdem“, fügte er hinzu, „habe ich dich schon weitaus weniger bekleidet gesehen.“
Er bemerkte, dass sie bei seinen Worten erschauerte. Doch sie wechselte das Thema.
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