Die Mitternachtsrose
und ging zu ihr.
» Was ist los? « , fragte ich.
» Ach Anni, ich hab so Heimweh nach Ma und Pa… und Indien. Ich hasse England. Hier ist alles so trist und kalt. Ich fühle mich genauso verwaist wie du! «
» Der Krieg ist bestimmt bald vorbei. Dann siehst du deine Familie wieder « , versuchte ich, sie zu trösten.
» Anni, mir ist aufgegangen, wie gemein ich zu dir war, dass ich dich links liegen gelassen habe und du in diesem eiskalten Speicherzimmer schlafen musst, weil ich nichts zu Lady Astbury gesagt habe. « Sie bekam eine Gänsehaut. » Komm runter zu mir. Da gibt’s wenigstens einen Kamin, und wir können reden. «
Wie immer erfüllte ich ihren Wunsch, und als wir, in Decken gehüllt, vor dem Kamin in ihrem Zimmer saßen, seufzte sie. » Ich träume jede Nacht von unserem Palast. Früher wusste ich ihn nicht zu schätzen. Genauso wenig wie dich « , fügte sie hinzu. » Ich war grausam zu dir, wahrscheinlich bin ich ein schlechter Mensch. Kannst du mir verzeihen, Anni? «
» Natürlich. «
» Eines Tages werden wir doch nach Indien zurückkehren, oder? «
» Sicher. Wir sind dabei, den Krieg zu gewinnen. Es wird nicht mehr lange dauern, das sagen alle. «
» Ich gehöre nicht nach England, sondern nach Indien. Es fehlt mir schrecklich. Pretty glaubt bestimmt, dass ich sie im Stich gelassen habe «, erklärte Indira seufzend.
Der Gedanke an ihren kleinen Elefanten brachte sie erneut zum Weinen.
» Vielleicht lehrt dieser Krieg uns alle, über das nachzudenken, was wir haben, statt über das zu jammern, was uns fehlt. «
Sie sah mich mit großen bernsteinfarbenen Augen an. » Du bist so klug, Anni. Ma hat mal gesagt, ich soll immer auf dich hören, und das war ein guter Rat. «
» Ich bin nicht klug, Indy, ich füge mich nur in mein Schicksal. An dem, was ist , können wir nichts ändern, egal, wie sehr wir uns bemühen. «
Indira biss sich auf die Lippe. » Allmählich beginne ich zu denken, dass mein Prinz mich vergessen hat. «
» Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ihr zusammenkommt, wenn das Schicksal es so will. «
» Wahrscheinlich hast du recht. Anni, schläfst du heute bei mir? Ich möchte nicht allein sein. «
» Wenn du das willst. «
Also kuschelten wir uns in Indiras großem Bett aneinander, genau wie früher als Kinder.
» Bist du sicher, dass du mir verzeihen kannst, Anni? « , fragte sie, als ich das Licht ausschaltete.
» Du bist mir wichtig, Indy, ich werde dir immer verzeihen. «
Und tatsächlich: Im Internat verbrachte Indira wieder deutlich mehr Zeit mit mir. Das lag zum Teil daran, dass ihre beste Freundin Celestria aus der Schule genommen worden war. Inzwischen bestand die reale Möglichkeit, dass England bombardiert würde, und ihre Mutter wollte ihre Tochter sicher bei sich zu Hause wissen. Auch andere Mädchen waren aus der Schule genommen worden, und obwohl bis dahin hauptsächlich London unter Luftangriffen zu leiden gehabt hatte, verharrte das gesamte Land in einem Zustand erhöhter Anspannung und Angst.
An Ostern packten wir für die Ferien, weil wir damit rechneten, mit dem Zug nach Dartmoor zu fahren, und waren überrascht, als uns am letzten Schultag ein Chauffeur im Rolls-Royce abholte.
» Wo fahren wir hin? « , fragte Indira, doch der Chauffeur schwieg. Erst als wir die vertrauten Straßen von London erreichten, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Und als der Wagen vor dem Haus in der Pont Street hielt, sprang Indira hinaus und rannte die Stufen zur Tür hinauf.
Aus der die Maharani höchstpersönlich trat.
» Ma! « Indira warf sich in die Arme ihrer Mutter.
» Überraschung! « , sagte die Maharani und drückte ihre Tochter an sich. » Ich wollte dir nicht verraten, dass ich komme, solange das Schiff nicht sicher in England angelegt hätte. Und das war erst gestern. «
» Aber wie ist das möglich? Ich dachte, man kann nicht reisen, weil alle Schiffe für Truppentransporte benötigt werden « , fragte Indira, als wir das Haus betraten.
» Das erzähle ich dir später. Es war ein richtiges Abenteuer! « Die Maharani lachte, und ihr Blick fiel auf mich. » Anni, was bist du groß geworden, eine richtige Schönheit! «
Ohne ihrem Kompliment Beachtung zu schenken, das ich für reine Höflichkeit hielt, folgte ich ihnen in den eleganten Salon, wo im Kamin ein behagliches Feuer prasselte.
» Erzähl, wie du es nach England geschafft hast « , bettelte Indira, als wir uns setzten und die Maharani eine Dienerin bat, den Tee zu
Weitere Kostenlose Bücher