Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
Vom Netzwerk:
die Nacht, als der Kopf des Kindes erschien.
    Mehrmaliges Pressen war nötig– dabei zerquetschte Selina mir fast die Hand–, bis der Kopf des Kindes vollends da war. Anschließend half ich dem übrigen Körper heraus.
    » Ist mit dem Kind alles in Ordnung, Anahita? « , fragte Selina und versuchte erfolglos, nach unten zu schauen.
    » Hurra! « , riefTilly aus, als das Baby kreischend zwischen Selinas Beinen lag. » Ein kleines Mädchen! Gratuliere, Lady Selina! «
    Ich nahm das Kind hoch und legte es Selina in die Arme. In dem Moment ging die Tür auf, und der Arzt trat ein.
    » So, so « , sagte er, als er ans Fußende des Betts trat und die erschöpfte Mutter mit ihrem Kind sah. Er öffnete seine Tasche, durchtrennte die Nabelschnur und bedachte mich mit einem spöttischen Lächeln. » Darf ich übernehmen? «
    » Natürlich. « Da ich wusste, dass ich nicht mehr gebraucht wurde, schickte ich mich an, das Zimmer zu verlassen. Doch Selina streckte die Hand nach mir aus. » Danke, Anni, du warst wunderbar. «
    Als ich am folgenden Morgen die Küche betrat– ich war zu müde gewesen, um zu meinem morgendlichen Ausritt mit Donald aufzustehen–, empfing man mich wie eine Heldin.
    » Sie haben ihr das Leben gerettet, behauptet Lady Selina « , verkündete Tilly. » Miss Anni war einfach unglaublich « , berichtete sie den anderen in der Küche. » Sie wusste genau, was zu tun ist, und hat sie beruhigt. Hoffentlich dankt der alteDrachen da oben Ihnen das, Miss Anni. Ist das zu fassen? Wie ihre arme Tochter sich so abgequält hat, ist sie kein einziges Mal zu ihr reingegangen. Und hinterher hat sie dem Arzt auf der Treppe erklärt, Lady Selina könnte von Glück sagen, dass es eine leichte Geburt war. Ich finde, sie sollte ihrem Schöpfer danken, dass Sie hier waren und wussten, was zu tun war. «
    Später rief Selina mich nach oben und begrüßte mich, ihr Kind im Arm, vom Bett aus mit einem strahlenden Lächeln.
    » Hallo, Anni. Sieh dir meine hübsche Tochter ruhig genau an. « Sie signalisierte mir mit einer Geste, dass ich mich zu ihr aufs Bett setzen solle.
    » Sie ist wirklich wunderschön! « , bemerkte ich, während ich mit einem Finger über die samtige, makellose Haut der Kleinen strich. » Wie wollen Sie sie nennen? «
    » Leider habe ich da nicht allzu viel mitzureden. Sie wird Eleanor heißen, nach der Mutter ihres Vaters. Ist sie nicht süß? Möchtest du sie halten, Anni? «
    » Gern « , antwortete ich, und sie legte mir das Kind in den Arm.
    » Du warst großartig heute Nacht. Ich habe meiner Familie gesagt, dass ich es ohne dich nie geschafft hätte. Danke von uns beiden. «
    » Keine Ursache. Es war mir ein Vergnügen, am Wunder der Geburt teilzuhaben. «
    » Wenn nur der Vater der Kleinen hier sein könnte, um seine Tochter zu sehen. Wir haben natürlich ein Telegramm nach Frankreich geschickt, aber der Himmel allein weiß, wann er die Nachricht erhält. «
    Da hörte ich plötzlich wieder dieses Singen, und ein Schatten fiel auf mein Herz. Ich wusste, dass dieses Kind seinen Vater niemals sehen würde. Trotzdem zwang ich mich zu einem Lächeln. » Er kommt sicher bald wieder « , log ich.
    » Darum kann ich nur beten. Prinzessin Indira sagt, dass ihr morgen ins Internat zurückmüsst? «
    » Ja. «
    » Schade, Anni. Ich wünschte, du könntest dich um uns zwei kümmern. Mutter hat ein uraltes Kindermädchen eingestellt. In deiner Gesellschaft fühle ich mich viel wohler. Versprichst du mir, bald wiederzukommen? «
    » Ja « , antwortete ich und gab ihr die Kleine zurück.
    » Dann aufWiedersehen, Anni, und danke noch mal. «
    » AufWiedersehen. Viel Glück mit der hübschen Kleinen. «
    Als ich aufstand und zur Tür ging, fragte Selina: » Bist du wirklich erst vierzehn, Anni? Heute Nacht hatte ich das Gefühl, von einer erfahrenen Frau unterstützt zu werden. «
    » Ja. « Ich verließ das Zimmer mit einem Lächeln.
    Da wir am folgenden Morgen erst um elf Uhr zur Schule aufbrechen mussten, war noch Zeit für einen letzten Ausrittmit Donald. Natürlich hatte er von den Ereignissen gehört.
    Als wir wie üblich am Bach saßen, fragte er mich, woher ich gewusst habe, was zu tun gewesen sei.
    » Letztlich ist es ganz einfach « , erklärte ich. » Man muss auf die Stimme der Natur lauschen. Der Körper deiner Schwester wusste alles, ich musste ihr bloß helfen, ihm zu vertrauen. «
    In Donalds Blick lag Hochachtung. » Wenn nur mehr Menschen so denken würden. Mein Vater hatte großen Respekt vor

Weitere Kostenlose Bücher