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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Addison Allen
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seinen langen Arm um sie, und so gingen sie schweigend nach Hause.

DREI
    W eißt du, wer mir heute über den Weg gelaufen ist?«, fragte Win Coffey, der vom großen Wohnzimmerfenster aus beobachtete, wie der graue Himmel das rosige Abendlicht schluckte.
    Win hörte das Klacken von Schritten auf dem weißen Marmorboden des Eingangsbereichs, dann sah er in der Fensterscheibe, wie seine Mutter den Raum betrat, gefolgt von Wins kleiner Schwester. Seine Mutter setzte sich neben seinen Vater aufs Sofa, seine Schwester auf die Couch gegenüber.
    Wins Vater Morgan faltete die Zeitung, legte sie beiseite, nahm die Lesebrille ab und blickte Win an, nicht seine Frau. Es war lange her, dass Wins Eltern einander richtig in die Augen gesehen hatten. »Wer?«
    Pünktlich auf die Minute begannen sich die Jalousien im Wohnzimmer automatisch zu schließen. Win wartete, bis sie ganz zu waren, bevor er sich umdrehte. In dem mit alten Möbeln – Kommoden im Federal Style und geschmackvoll mit blauen und grauen Blumenmustern bezogene Sofas – eingerichteten Raum roch es nach Orangen. Hier veränderte sich nie etwas. »Emily Benedict.«
    Morgans Zorn war fast mit Händen greifbar.
    Win erwiderte den Blick seines Vaters schweigend. Das hatte er von Morgan gelernt. In letzter Zeit hatten sie ihre Kräfte so oft gemessen, dass sich der Ablauf solcher Auseinandersetzungen allmählich einspielte.
    Â»Win, du weißt, dass mein Bruder noch leben würde, wenn ihre Mutter nicht gewesen wäre«, erklärte Morgan mit belegter Stimme. »Und keiner würde unser Geheimnis kennen.«
    Â»Niemand im Ort hat je ein Wort über diese Nacht verloren«, entgegnete Win ruhig.
    Â»Aber sie wissen es. Wir sind ihnen wehrlos ausgeliefert.« Morgan deutete mit seiner Lesebrille auf Win. »Dich als Angehörigen der ersten Generation, über die alle Bescheid wissen, sollte es besonders wütend machen, dass sie dich mit anderen Augen sehen.«
    Win seufzte. Sein Vater würde es nie begreifen. Win war nicht wütend. Wenn er überhaupt etwas empfand, dann eher Frustration. Warum redete niemand darüber, wenn es allgemein bekannt war? Warum blieb seine Familie nachts nach wie vor im Haus? Warum klammerte sie sich an Traditionen, die keinen Sinn mehr ergaben? Falls die Leute Win mit anderen Augen sahen, dann deswegen, nicht dieser Eigenheit der Coffeys wegen, mit der sie nur ein einziges Mal, mehr als zwanzig Jahre zuvor, konfrontiert gewesen waren. Wieso sollten sich die Dinge nicht ändern können? Bisher hatte ja keiner versucht, sie zu ändern.
    Â»Ich glaube nicht, dass Emily etwas weiß«, sagte Win. »Wahrscheinlich hat ihre Mutter es ihr nicht erzählt.«
    Â»Hör auf damit«, warnte sein Vater ihn. »Lass die Finger von Emily Benedict. Ende der Diskussion.«
    Eine Frau in weißem Kleid und Schürze betrat den Raum mit einem Tablett, auf dem sich ein silbernes Teeservice befand. Morgan signalisierte Win mit einem Blick, dass er den Mund halten solle. Sie sprachen untereinander kaum darüber – manchmal glaubte Win sogar, dass seine Mutter es ganz vergessen hatte und so glücklicher war – und schnitten das Thema niemals vor der Haushaltshilfe an.
    Win ging zu seiner Schwester Kylie, die auf der anderen Seite des Zimmers per Handy eine SMS schickte. Wenn die Dämmerung hereinbrach, kurz vor dem Abendessen, war im Haushalt der Coffeys traditionell Lesezeit. Es handelte sich um eine alte Familientradition, die Hunderte von Jahren zurückreichte und die Nacht strukturierte, in der sie aufgrund ihres Geheimnisses gezwungen waren, drinnen zu bleiben, sogar an lauen Sommerabenden wie diesem. Win, der den Sinn nicht mehr begriff und der das Haus wie eine schwere Last empfand, drängte es hinauszugehen. Er wollte nicht länger herumschleichen, als hätte er etwas zu verbergen.
    Win setzte sich neben seine Schwester, die ihn eine ganze Weile ignorierte. In ihrer Kindheit war sie dem fast zwei Jahre älteren Win auf Schritt und Tritt gefolgt. Jetzt, mit beinahe sechzehn, lief sie ihm immer noch nach – ob um ihn zu ärgern oder zu beschützen, wusste er nicht. Sie vermutlich auch nicht. »Provozier ihn nicht«, riet Kylie ihm. »Ich an deiner Stelle würde mich von dem Mädchen fernhalten.«
    Â»Vielleicht möchte ich aber den Feind kennenlernen.« Seine unerwartete Faszination von Emily, von ihren

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