Die Monster von Templeton
ich mit einer piepsigen, traurigen Stimme sprach und erzählte, ich hätte keinen Vater, dann übte ich eine große mystische Macht auf die Erwachsenen aus, vor allem auf Männer. Und so kam es, dass Sol Falconer, als ich mich an sein Knie lehnte und gierig auf sein Chocolate-Chips-Hörnchen starrte, er mich fragte, was denn los sei, und ich ihm zuflüsterte, ich hätte kein Geld und – hier wurde ich leiser – auch keinen Vater, der mir ein Eishörnchen kaufen könnte, aufsprang und mit einem Becher Vanilleeis zurückkehrte.
«Da, mein Schatz», sagte er, drückte meine kleine Hand, und ich stahl mich hinter die Büsche, um in aller Ruhe diese wunderbare neue Süßigkeit zu verdrücken.
Tom Irving war mein nächstes Opfer gewesen, denn er saß in einem Gartenstuhl, döste, und niemand war in seiner Nähe. Er lächelte mich an, brachte mir ein After-Eight-Eis und gab mir einen dicken, fetten Kuss auf die Stirn. Zu dem Zeitpunkt, als ich mich Doug Jones näherte, der gerade seinem Baby die Flasche gab, fühlte ich mich herrlich ungezogen und hippelig. Er schaute mich ein wenig skeptisch an – zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits einen mehrfarbigen Eiscremerand um den Mund –, reichte mir jedoch schließlich die Überreste seines Eishörnchens mit Kaugummigeschmack.
«Ach herrje», sagte der Englischlehrer. «Ich schaffe es einfach nicht zu essen, wenn traurige kleine Herumtreiber seufzend neben mir stehen.»
Ich glaube, Frank Phinneys Schokobombeneis klaute ich direkt, und er ließ es lachend zu. Ich war mit den anderen Kindern gerade dabei, mit ausgebreiteten Armen kreischend auf dem Kirchenrasen Flugzeug zu spielen, als Vi den Hügel hochgestapft kam. In dem Film meinerErinnerung kommt sie den Hügel hoch, so grimmig und riesengroß wie ein schrecklicher Troll, begleitet von Orgelmusik in Moll. Doch damals war sie noch nicht einmal zweiundzwanzig und hatte noch Babyspeck, obwohl ihr Haar immer schon strähnig und ihr Gesicht nie wirklich hübsch gewesen war. Sie war viel kleiner als später, doch in meinen Augen, den Augen einer Vierjährigen, die sich schrecklichster Vergehen schuldig fühlte, war sie gewaltig. Und als sie mich dann am Kragen packte und die Eiscreme sah, die auf meinem ganzen Körper dahinschmolz, traten ihre Augen aus den Höhlen, und sie sagte: «O nein, Sunshine, du bist doch allergisch gegen Zucker!», und die Gesichter der Männer wurden bleich und schlaff vor Entsetzen. Auch sie hatten Angst vor ihr, das sah ich. Und als ich schließlich, bedingt durch ein beeinflussbares Wesen oder tatsächlich durch zu viel fette Eiscreme, anfing, überall hinzukotzen, kamen sie sechs Mann stark herübergelaufen und ergingen sich wortreich in Entschuldigungen, bis meine Mutter sich dieses kotzende kleine Etwas über den Arm legte und sich auf den Heimweg machte.
Seither hatten sich die Kumpels meiner angenommen. Weshalb ich es, als sie mich fragten, was denn los sei, einfach nicht über mich brachte, ihnen zu gestehen, wie groß das Ausmaß meines Scheiterns war.
«Oh», sagte ich und versuchte mich an einem Lächeln. «Das Übliche. Gebrochenes Herz. Blablabla.»
Sie nickten und ließen es dabei bewenden.
Die Tür ging auf, und meine Mutter kam herein, in ihrer Schwesterntracht. Sie sah bedrückt und traurig aus. Als sie aufblickte und die Kumpels sah, gab sie einen kleinen erschrockenen Schrei von sich und schaute verwirrt von einem zum anderen. «Was?», fragte sie. «Was ist denn los?»
«Oh», erwiderte ich und beschloss, sie ein wenig zu ärgern. «Nur meine Gebetsgruppe.» Die Kumpels kicherten verhalten und standen dann wie auf Kommando auf.
«Wir waren sowieso gerade auf dem Sprung», sagte Tom Irving.«Schön, dich zu sehen, Vi.» Und dann, unter allgemeinem Gerufe, dass ich mal wieder mit ihnen laufen solle, dass sie sich gefreut hätten, mich zu sehen, und dass wir beim nächsten Mal noch mehr plaudern würden, traten die Kumpels im Gänsemarsch durch die Tür. Hier endlich sah ich auch die eigentliche Ursache ihres Unbehagens: Reverend Milky stand dort in der Diele, und die Kumpels senkten den Blick, sagten: «Morgen, Reverend Melkovitch», und drückten sich der Reihe nach an ihm vorbei.
«Nun», sagte Vi, setzte sich am Bauerntisch auf ihren Stuhl und rieb sich den Spann ihres Fußes, «das war unerwartet. Komm rein, John, ich mach gleich Frühstück.»
Reverend Milky tauchte mit einem verlegenen Lächeln in der Küche auf und nickte mir kurz zu. Er trug etwas, das fast wie eine
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