Die Monster von Templeton
nächsten Brief in dem Bündel zu, der aus Charlottes Feder stammte.
Cinnamon und Charlotte, zweiter Teil
Aus der Feder von Charlotte Temple, Franklin House, Blackbird Bay, Templeton
7. Januar 1862
Cinnamon, meine Liebe,
Sie müssen mir mein Schweigen verzeihen, denn ich war bei meiner ältesten Schwester in ihrem Landhaus in Rye zu Besuch und arbeitete dort an einem neuen Buch (wie nur Sie wissen). Gerade bin ich zurückgekehrt, und meine Zofe packt meine Sachen aus. Ich bin froh, dass Sie sich besser fühlen und die Tinktur Ihnen, wie erwartet, Ruhe schenkt. Mit Ihren Worten über Ihre Ehemänner haben Sie mich in Unruhe versetzt, aber ich bin der festen Überzeugung, dass Sie sich in jenem Moment in einer Art Halbtraum befanden und dies deshalb nicht allzu ernst genommen werden sollte.
Nun, Sie haben mich gebeten, Ihnen alles zu berichten, was ich möglicherweise über Ihre Schwester gehört habe; und in der Tat glaube ich, etwas erfahren zu haben. Auf dem Weg in die Stadt hatte ich einen kurzen Abstecher zu Reverend Belvedere gemacht, um ihm einen Brief von meiner Schwester zu übermitteln. Beim Tee erzählte mir die alte Klatschbase zweierlei. Erstens, dass Schneider, von der Bäckerei, am frühen Morgen jenes Tages mit dem Schneesturm berichtet hat, er
habe eine Vision gehabt, als er kurz nach draußen trat, um sich den Kopf abzukühlen. Es war, sagte er, eine Parade von seltsamen Geistern, allesamt in Weiß gekleidet und wie die Orgelpfeifen von riesengroß bis winzig, die sich auf der Second Street im hüfthohen Schnee vorwärtskämpften.
Das Zweite, was ich hörte, war, dass die Brüder Vanderhees – die se beiden alten Junggesellen aus York – urplötzlich das Lederstrumpf-Hotel verkauft haben. Sie erinnern sich bestimmt an das Lederstrumpf: Die Brüder hatten zu Beginn des Jahrhunderts das Hotel der alten Witwe Croghan erworben und es erst kürzlich gründlich überholt. In jedem Zimmer gibt es ein Wandgemälde, das eine Szene aus einem der Lederstrumpf-Bücher meines Vaters zeigt: Natty Bumppo, der einen Wasserfall hinabspringt, Chingachcook beim Skalpieren eines Huronen, Natty, wie er wegen des Gemetzels an den Wandertauben weint, etcetera. Es war alles sehr schön. Die beiden Männer suchten mich auf, um sich bei mir zu verabschieden, obwohl sie nach all den Jahren hier immer noch kaum Englisch sprechen. Als ich sie fragte, wer ihr Hotel gekauft habe, tauschten sie Blicke. «Großer Mann», sagten sie. «Roch wie eine Frau.» Das passt, denke ich, genau auf die Beschreibung Ihrer Schwester.
Und noch ein Geheimnis, bevor ich mit meiner wartenden Haushälterin sprechen muss: Monsieur Le Quoi ist sehr aufmerksam gewesen, seit ich Ihre guten Ratschläge angenommen und ihm ein kleines Bonbon geschenkt habe, das ich eigenhändig angefertigt habe. Elfmal waren wir miteinander spazieren, und mein Französisch ist schon viel besser geworden. Er hat es sich zur Angewohnheit gemacht, mir die Hand zu küssen, wenn sich unsere Wege trennen, und die Berührung seiner Lippen brennt auf meiner Haut, Cinnamon, sie brennt durch den Handschuh hindurch, und dieses Brennen bleibt, solange ich von ihm weg bin, und beginnt von Neuem, wenn ich ihn wiedersehe.
Oh, Cinnamon, mein Herz ist voller Dankbarkeit für Sie, meine
liebste Freundin, und unser erzwungenes Getrenntsein lastet schwer auf mir.
Mit großer Zuneigung
Charlotte Temple
***
9. Januar 1862
(aufgesetzt, unvollendet)
Liebste Charlotte,
ich habe das Gefühl, zu zerbrechen. Etwas stimmt nicht mit mir. Ich weiß nicht, was es ist, nur, dass Sie mir irgendwie helfen können. Ich muss Ihnen etwas Schreckliches sagen, wissen Sie. Die Welt ist dunkel und böse. Ich weiß nicht, was ich …
***
14. Januar 1862
(aufgesetzt, unvollendet)
Liebe Charlotte,
warum schreiben Sie nicht? Warum schreiben Sie nicht? Sind Sie zu verliebt, um zu schreiben? Sind Sie nicht meine Freundin, wissen Sie nicht, wie traurig ich bin, wie einsam? Wissen Sie denn gar nichts? Sie glauben, Sie sind verliebt – aber Sie sind es nicht – Sie sind verliebt in Ihren Vater, Charlotte, und was Sie in Monsieur Le Quoi sehen, ist nur Ihre …
***
Averell Cottage
17. Januar 1862
Charlotte,
es ist sehr spät – ich kann nicht schlafen, kann schon so lange nicht mehr schlafen, seit einem Monat, seit Ginger zurück ist – ohne die Tinkturen kann ich nicht schlafen. Ich habe das Gefühl, verrückt zu werden. Charlotte, meine Ehemänner lauern in den Schatten – ich bin so müde
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