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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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dabei behilflich sein kann,
Ihrer Seele Linderung zu verschaffen, dann bin ich diejenige, die sich sehr bemühen muss, dies zu bewerkstelligen. Heute habe ich nicht einen, sondern zwei Beweise meiner Liebe zu Ihnen: zwei Geheimnisse, zwei Geständnisse. Ich bin mir sicher, das erste der beiden können Sie bereits erahnen. Gestern Abend habe ich die Lampe im Arbeitszimmer meines Vaters angezündet, und Monsieur Le Quoi antwortete. Gegenwärtig glaube ich, dass ich schon bald eine verheiratete Frau sein werde, Cinnamon! Oh, ich könnte lachen vor Freude!
    Das zweite Geheimnis werden Sie wohl nie erraten können. Erinnern Sie sich an gestern Abend, an die Schreie der Männer in der Nacht, die Feuerwehren, das wilde Läuten der Glocken? Das Gerichtsgebäude ist abgebrannt – vielleicht hat Marie-Claude Ihnen das erzählt?
    Ich war es, Cinnamon. Ich bin die Brandstifterin. Wie, so werden Sie fragen, habe ich dies fertig gebracht? Wie, wenn ich in meinem Haus in Blackbird Bay war, mehr als einen Kilometer entfernt, in den Armen des Mannes, der mein Gemahl wird? Sie werden es mir nicht glauben, Cinnamon, aber ich weiß selbst nicht so recht, wie ich es tue. So ist es immer gewesen. In Zeiten größter Erregung lege ich manchmal Feuer. In jener Nacht in Hyde Hall, nach der Entdeckung von Susanna Clarkes Falschheit, setzte ich ein Außengebäude in Brand, ohne mein Zimmer zu verlassen; ich legte das Feuer in Phinneys Druckerei, an einem Abend, als Monsieur Le Quoi mir sagte, dass er mich liebt; und ich legte Brände, bevor ich Monsieur Le Quoi kennenlernte, an Abenden, an denen ich so traurig war, weil ich alt und einsam bin und niemals Gattin oder Mutter sein werde. Ausgerechnet ich, auf die Sie nie gekommen wären!
    So ist es immer schon gewesen; mein erstes Feuer brannte auf einem Feld in Frankreich, als ich noch ein kleines Mädchen war und mir sicher war, dass mein Vater kurz davorstand, meine Familie zu verlassen. Ich starrte jenes Feld so inbrünstig an, dass drei Grasbüschel
Feuer fingen und die Flammen sich ausbreiteten, bevor ein Wind das Feuer wieder im Keim erstickte. Und dann in einem Hotel in London, als meine Schwester Daisy mich ohrfeigte, weil ich das Kleidchen ihrer Puppe zerschnitten hatte: Damals legte ich ein Feuer im dortigen Salon, obwohl wir im Garten hinter dem Haus spielten. Und dann, in unserer ersten Nacht in Templeton, legte ich Feuer in einer Scheune und so weiter und so fort. Einmal wurde ich von Mr. Woodside geschnitten, der das Herrenhaus auf dem Hügel errichtete, und setzte die frisch gelegten Grundmauern in Brand; und all die Feuer der letzten Jahre in der Stadt, sie waren Folge meiner Erregung!
    Gestern Abend nun war ich so glücklich, dass das Gerichtsgebäude in Flammen aufging. Wir haben das Glück, dass Phinneys Feuerwehrleute so gut sind, sonst wären die armen Gefangenen in den Zellen dort heute nur noch knusprig gebratener Speck. Wenn ich meine Gefühle unter Kontrolle halten kann, dann kann ich auch Brände in Schach halten. Bin ich dagegen nicht dazu in der Lage, gehen Dinge in Flammen auf, und das arme Gerichtsgebäude, das mein geliebter Großvater erbaut hat, ist nur noch ein Haufen ausgebranntes, verkohltes Holz. Wie froh wäre ich, würde mir dies leid tun; doch dazu bin ich zu glücklich.
    Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie mir Glauben schenken. Wer könnte schon solche Kräfte haben? Doch Cinnamon, das ist die Wahrheit. Ich werde es Ihnen zeigen. Richten Sie heute Abend um acht Uhr ein Feuer im Kaminrost, doch zünden Sie es nicht an. Genau zu dieser Stunde werde ich es in Brand setzen, und es wird zuerst grün und dann golden auflodern.
    Da haben Sie sie, meine innigsten Geständnisse. Nun wissen Sie alles – jetzt können Sie einen Blick in meine Seele werfen. Nun sagen Sie mir bitte auch Ihr Geheimnis, denn ich kann es kaum erwarten, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Bürde zu tragen, meine Liebe. Fast hätte ich dieses Schreiben in Stücke gerissen – schon mehrfach habe ich dieses Geständnis brieflich niedergelegt, doch bin ich niemals damit zum
Ende gekommen. Nein, ich werde den Brief abschicken. Ich vertraue Ihnen vollkommen.
    Ihre größte Freundin

Charlotte Temple
    ***
    9. Februar
    Charlotte –
Verzeihen Sie mir mein Gekritzel – ich glaube Ihnen – ich sah die Flammen in meinem Kaminrost mit eigenen Augen. Ich bin froh über Ihre Beichte – und hier ist die meine. Oh, ich bete darum, dass Sie mich nicht hassen werden – doch ich werde sterben, wenn ich

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