Die Monster von Templeton
sich behalten, nicht wahr? Ich kann es nicht erwarten, von Ihnen zu hören. Bitte schreiben Sie mir doch, mein liebes Herz! Ich bin hin- und hergerissen zwischen meiner großen Freude und meiner Sorge um Sie.
Mit den liebsten Grüßen
Charlotte Temple
***
Averell Cottage, Templeton
5. Februar 1862
Meine liebste Charlotte,
es tut mir so leid, Ihnen derartig viele Sorgen bereitet zu haben – in der Tat bin ich sehr krank gewesen, wie Sie auch sahen, als Sie mich besuchten. Ich habe Ihnen Angst eingejagt – wofür ich mich entschuldige. Doch nach Ihren Verabreichungen fühle ich mich wirklich besser. Vielleicht haben Sie ja recht – vielleicht konnte ich nicht schlafen wegen des Lärms der Regimenter in dem Park unterhalb meines Hauses. Oder vielleicht war es auch Mudges Tinktur – möglicherweise war sie ja nicht stark genug. Immerhin habe ich drei Tage lang geschlafen und komme mir so vor, als schliefe ein Teil von mir immer noch. Meine Ehemänner sehe ich nun nicht mehr. Vergeben Sie mir jedoch meinen Aberglauben, wie Sie es nannten, denn irgendwie weiß ich, dass sie immer noch da sind. Zu wissen, dass sie bei mir sind, und nicht in der Lage zu sein, sie zu sehen – das ist irgendwie noch beängstigender, als sie allerorten zu sehen.
Ich frage mich jedoch, warum Sie so erschrocken sind, als Sie mein Schlafgemach betraten. Wie kam es bloß, dass Sie mit den Augen Paul folgten, während er den Raum von Ecke zu Ecke durchquerte? Oder dass Sie irgendwie bedrängt wirkten, als Abraham sich über
das Bett beugte? Ich verstehe es nicht. Können Sie sie also auch sehen?
Charlotte, Sie müssen mir etwas versprechen. Es gibt da etwas, das mir schrecklich auf der Seele lastet, aber bevor ich es Ihnen sage, muss ich Ihnen, im Gegenzug, ebenfalls ein Geheimnis entlocken. Sie müssen mir etwas aus dem tiefsten Inneren Ihrer Seele erzählen, etwas, das Sie keiner Menschenseele anvertrauen würden.
Bis Sie mir dieses Zeichen Ihrer Zuneigung schicken, werde ich Ihnen berichten, was ich direkt nach Ihrem letzten Besuch getan habe. Sie werden schockiert sein, da bin ich mir sicher. Doch Charlotte, ich habe die Männerkleidung meiner Gatten angezogen – Godfreys Reithosen, Sams Weste, Abrahams Stiefel, die Kappe meines liebsten Paul, die ganz knapp auf meinem Kopf sitzt. So dünn, wie ich mittlerweile bin, gehe ich recht gut als Junge durch, und mit Sams Koteletten zum Ankleben (eigene sind ihm nie gewachsen) und dem Hut, tief ins Gesicht gezogen, war ich recht überzeugend. Und dann – Sie werden schrecklich überrascht sein –, und dann verließ ich mein kaltes, einsames Haus und ging auf die nächtliche Straße hinaus.
Charlotte – es fühlte sich so wunderbar an – ich war wie befreit. Meine Seele schien ausgepackt zu werden, wie ein Kleid, das man aus Seidenpapier wickelt. Ach, meine Liebe, und da ging ich durch diese belebten, winterlichen Straßen (was für wuselnde Horden von Männern! Oh, Charlotte, wie sehr haben die Regimenter und die Akademie diese Stadt hier angefüllt – Männer, die sich auf den Straßen drängen – gut aussehende Männer, betrunkene Männer, Männer in Kutschen, Männer zu Pferde, die versuchen, auf dem Rücken des jungen Peck zu reiten, als wäre er ein Pferd – er lacht – Speicheltropfen schimmern auf dem Kinn des Schwachsinnigen!). Ich sah wenige bekannte Gesichter, niemanden, der mich in meiner Verkleidung erkannte. Und so wanderte ich umher, in meinem Rausch von Menschlichkeit, und trank sie in mich hinein. Ich war so einsam gewesen. Und dann schließlich fand ich mich vor dem Lederstrumpf-Hotel wieder.
Lassen Sie mich es beschreiben – die Schatten, die sich hinter den Vorhängen bewegten, Dunkel und Licht in der Nacht, die lange Reihe der Männer, die sich bis hinaus auf den Gehsteig und zum Gemüseladen zog, Männer, die auf Einlass warteten. Und ich suchte mir meinen Weg, Charlotte, durch allerlei Gassen, durch die leeren Schuppen hinter den Ladenfronten der Second Street, und fand schließlich den Kücheneingang des Etablissements meiner Schwester. Niemand war in der Küche – ich ging hinein. Es war schmuddelig, mit verkrusteten Tellern, Süßigkeiten, aufgetürmten Kuchen, sogar Fliegen, mitten im Winter! Schmutz überall. Ich schlüpfte in den Salon. Dort saß ein Mann in einer karierten Jacke und spielte Orgel – die mir sehr bekannt vorkam, ich frage mich, ob es nicht das Instrument aus Temple Manor war. Ich erinnere mich, eine solche Orgel im Haus Ihrer
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