Die Monster von Templeton
die unsere Mutter uns beigebracht hat.
Und es gibt noch ein Geheimnis – ihre Mutter war eine schöne Französin von zweifelhafter Herkunft. In Gesellschaftskreisen kursierte gar das Gerücht, sie könnte eine Kurtisane gewesen sein, bevor Hiram de Lancey sie von Paris nach Manhattan gebracht hatte.»
Ich pfiff durch die Zähne und sagte: «Okay. Sophie war also Nymphomanin. Und Jacob ist impotent. Heiliger Strohsack, Hazel. So was kann man doch nicht erfinden.»
Hazel Pomeroy gab ihr kehliges Kichern von sich. «Nun», sagte sie. «Ich habe keinen greifbaren Beweis und würde auch nicht so weit gehen, das alles an die Öffentlichkeit zu bringen, bevor ich ihn habe, aber mir scheint, dass es nur ein einziges eheliches Blümchen in Jacobs Bukett gab. Charlotte. Und das ist auch», sagte sie und streckte ihre streichholzdünnen Ärmchen über dem Kopf aus, «das, was ich von Ihrer ganzen Theorie halte, Jacob Franklin Temple könnte einen Bastard in die Welt gesetzt haben, wie Sie es so nett formuliert haben. Wenn Sie mich fragen, ähnelte er Ihrem glibberig-kalten Großpapa mehr als jeder in der Familie.»
Ich schaute Hazel an und kniff die Augen zusammen. Ich glaube, ich wollte sie auf die Probe stellen, als ich sagte: «Na ja, damit sagen Sie ja, dass ich nicht direkt mit Marmaduke verwandt bin, wenn manHetty einmal außer Acht lässt. Denn wenn Charlotte wirklich den Sohn ihrer Schwester adoptierte und keine ihrer Schwestern mit Marmaduke verwandt war, dann fließt auch kein Marmaduke-Blut in mir.»
Hazel blinzelte und grinste dann. «Und genau hier irren Sie sich», triumphierte sie. «Wir haben einen Brief von einem gewissen Arzt in Manhattan, der behauptet, bei der Geburt von Charlottes Sohn behilflich gewesen zu sein. Und das war einige Monate nach dem Tod von Charlies Schwester, derjenigen, von der alle glaubten, sie sei Henrys Mutter – es liegt auf der Hand, dass Daisy unmöglich noch aus dem Grab gebären konnte –, weshalb es fast sicher ist, dass Henry schließlich doch Charlottes Sohn war. Und wie Sie wissen, wenn Henry Charlottes Sohn war und Charlotte die einzige von Jacobs Töchtern, die wirklich von ihm abstammte, dann floss in Henrys Adern definitiv Marmadukes Blut. Ha! Jedenfalls habe ich in den ganzen vergangenen zehn Jahren nach einem stichhaltigeren Beweis dafür gesucht, dass Charlotte ein uneheliches Kind hatte. Ich schreibe ein Buch darüber. Der Titel lautet:
Geheimnisse und Verleumdungen: Die erstaunliche Geschichte der Familie Temple.
Sie kommen auch drin vor», sagte sie, und ihre aufrichtigen Augen leuchteten. «Auch die Geschichte Ihrer Mutter Vivienne über ihre freizügige Liebeskommune. Ich frage sie ständig, ob ich mal auf ihrem Dachboden herumstöbern darf, aber sie weigert sich. Ich sag ihr immer, sie behindert die Entwicklung der amerikanischen Geschichtswissenschaften, aber Sie kennen ja Ihre Mutter. Die kann ganz schön Funken sprühen.»
Es wäre mir ein Leichtes gewesen, in diesem Moment den Briefwechsel zwischen Cinnamon und Charlotte aus der Tasche zu ziehen, ihn der alten Dame zu geben und in einem einzigen Moment ihre Karriere und ihr Lebenswerk zu besiegeln. Doch irgendein böser Kobold in mir ließ mich schweigen, vielleicht aus Angst, sie könnte einen Herzschlag erleiden, wenn sie die Briefe in Händen hielt; möglicherweise war ich aber auch nur wütend auf diese fremde Frau, die meine Familiengeheimnisse in die ganze Welt hinausposaunen wollte. In dem Moment,als ich den Mund aufmachen und ihr tüchtig die Meinung sagen wollte, spürte ich einen schrecklichen Krampf in meinem Bauch.
Ich schnappte nach Luft, und Hazel schaute mich besorgt an. «Alles in Ordnung mit Ihnen, meine Liebe?», wollte sie wissen.
«Alles okay», sagte ich. «Völlig okay. Danke.»
Und so saßen wir in dem staubig-dicken Nachmittagssonnenlicht in der kleinen Küche hinter der Bibliothek. Während in meinem Bauch ein Krampf nach dem anderen tobte, stellte ich mir den Sardinenkopf des Klümpchens vor, wie es sich verwirrt um die eigene Achse drehte, während die Welt um es herum wackelte wie bei einem Erdbeben, und dachte:
Was zum Teufel ist das jetzt?
Dann hörten die Krämpfe urplötzlich auf, und als ich aufblickte, schaute mich Hazel an, einen scharfsinnigen Ausdruck auf ihrem Gesicht. «Sie haben mir», sagte sie, «nicht verraten, warum genau Sie nach einem unehelichen Vorfahren forschen. Wonach suchen Sie eigentlich?»
Ich lächelte sie einfach nur an und sagte, so leichthin
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