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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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junger Mann und so dicht mit Haar bewachsen, dass seine Augen im Gesicht kaum zu erkennen waren und er zwischen Haut und Kleidung immer gepolstert war. Die Mutter der Kinder, Elizabeth, war kränklich und zart.
    Der Legende nach wurde Jacob an dem Tag geboren, an dem seine Mutter endgültig aus Burlington nach Templeton gekommen war, um in der berühmten Siedlung ihres Mannes zu leben. Sie hatte es gerade erst zum Manor House geschafft, als das kleine Balg unter lautem Geschrei aus ihr herausglitt. Es gibt keinerlei Hinweise zur Untermauerung dieser Legende, außer der Tatsache, dass er sein Lebtag lang ein Schreihals war.
    Von Beginn an war Jacobs Erziehung Marmadukes Steckenpferd, denn er selbst hatte keinerlei Bildung genossen und sich die wichtigsten Dinge selbst beigebracht, Elizabeth konnte lesen, aber nicht schreiben, und Richards Ausbildung war bestenfalls rudimentär. Marmaduke war entschlossen, aus Jacob einen Gentleman zu machen, und so kam es, dass der Junge bereits mit zwei seinen eigenen Namen lesen und schreiben konnte. Im Alter von vier Jahren sprach er Französisch wie ein Franzose, rezitierte auswendig Gedichte, konnte einfache Rechenaufgaben lösen, verfügte bereits über eine schöne Handschrift und hatte mit Latein begonnen. Mit vierzehn war sein Vater bereits seit vier Jahren tot, und Elizabeth sandte den Jungen gemäß Marmadukes Wunsch nach Yale.
    Es war naheliegend, dass ein Junge, der so jung und reich war, in Schwierigkeiten geraten würde. Er trank, spielte, hatte schlechten Umgang. Im Alter von sechzehn flog er von der Schule. Er hatte die Tür eines Klassenkameraden mit einem Eimer voll Schießpulver in die Luft gejagt, ein Streich, der im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee war, denn während all seine Freunde fliehen konnten, war Jacob zu betrunken dazu und ging zu Füßen des herangeeilten Dekans kichernd zu Boden. Dies war sein erstes Scheitern gewesen.
    Damals kam er nach Templeton zurück, und sein Bruder verschaffte ihm eine Stelle bei der Handelsmarine, da er schon immer von Reisen in ferne Länder, von Geishas, Giraffen und all den anderen wundersamen Dingen geträumt hatte, denen er bei seinen Lektüren begegnet war. Hauptsächlich segelte er jedoch auf dem Lake Erie, und sein Seemannsleben hatte bereits ein Ende, als er einundzwanzig war. Dies war sein zweites Scheitern. Damals ging er nach Manhattan, wo er sich, ohne einen Universitätsabschluss, jedoch mithilfe mächtiger Freunde seines Vaters als Anwalt versuchte. Er war jedoch kein guter Jurist, fand keinen Zugang zur Materie. Drittes Scheitern.
    In Manhattan verliebte er sich in ein hübsches, flatterhaftes Mädchen namens Sophie De Lancey. Sie stammte aus einer Familie mit guten Beziehungen und hätte sich normalerweise gar nicht mit ihm abgegeben, da sie eine ganze Reihe von Verehrern hatte, die so reich waren wie Jacob und von denen die meisten aus angeseheneren Familien stammten als den Temples, welche sich schließlich erst vor einer Generation aus dem Nichts nach oben gearbeitet hatten. Doch dann geschah etwas, und Sophie willigte in die Heirat ein. Niemand wusste genau, was ihren plötzlichen Stimmungsumschwung verursacht hatte, doch als ihre erste Tochter nur acht Monate nach der Hochzeit zur Welt kam, zog so mancher daraus seine Schlüsse.
    Sophies Eltern stellten dem jungen Paar Land am Hudson zur Verfügung, und Jacob versuchte sein Glück als Grundbesitzer, doch auch hier versagte er kläglich. Auch finanziell musste er schwer bluten, denn das Land gab nicht viel her, und Sophie war eine Ehefrau mit hohen Ansprüchen.
    Dann jedoch, während dieses vierte Scheitern noch im Gange war, las er eines Abends nach einem langen Tag, an dem mehrere seiner Kühe wegen Milzbrand hatten notgeschlachtet werden müssen, ein Buch von Susanna Rowson und war so erbost darüber, dass er es quer durch den Raum schleuderte.
Was für ein Schwachsinn!,
rief er.
Da würde ich in vierzehn Tagen Besseres zustande bringen.
Woraufhin Sophie ihre Näharbeithinlegte und barsch rief:
Na, dann tu es,
und er erwiderte:
Zum Donnerwetter, das werde ich auch
, und er machte seine Ankündigung wahr. Nach nur zwei Wochen versammelte er seine Familie um sich – zu jenem Zeitpunkt hatte er bereits die ersten vier Töchter – und begann aus einem Stapel Papier in seinen Händen vorzulesen. Alle saßen wie gebannt, als er in der folgenden Woche jeden Tag vorlas, und als er fertig war, ließ Sophie ihre Nadelarbeit fallen, lief zu ihrem

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