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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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standen auf. Mingo ging aus dem Zimmer, um die Spazierstöcke, die Hüte und Mäntel zu holen, es war großer Aufbruch. Nein, dachte ich, das hier darf nicht geschehen, Marmaduke darf nicht ausgehen. Gerade wollte ich aufstehen, meinem Mann sagen, dass ich ihn sprechen müsse, auf der Stelle und in einer dringenden Angelegenheit, als Remarkable hereinkam und hastig einen Knicks machte.
    Ach, Mistress Temple, rief sie, und ihre Augen schossen voller Neugierzu Marmaduke, der schwer am Kaminsims lehnte. Der gemalte Marmaduke grinste über ihrem Kopf; der Marmaduke in Fleisch und Blut hingegen runzelte die Stirn.
    Solche Neuigkeiten, sagte Remarkable, das glauben Sie nie. Die arme, liebe Namenlos, ihre unschuldige Seele, sie ist im Kindbett gestorben.
    Da bekreuzigte sich Remarkable, eine papistische Geste, die ich in unserem Hause nicht gerne sehe. Doch mein Mitgefühl war geweckt, und selbst Marmaduke schien die Nachricht mit Interesse aufzunehmen.
    Mingo kam herein. Richard und Kent Peck gingen zu ihm, nahmen ihm die Mäntel aus den Armen.
    Und das Kind?, fragte ich. Remarkable schien in ihrem Eifer zu wachsen und zu zittern. Und beugte sich vor, zu einem überlauten Flüstern, und sagte: Es ist ein Mädchen. Kerngesund. Doch, Mistress Temple, es ist ein riesiges Kind. Und dann, mit einem Seitenblick auf Marmaduke, der ganz still und bleich geworden war, konnte Remarkable nicht mehr an sich halten und plapperte los. Sie ist über und über mit rotem Haar bedeckt. Rot. Und sie hat blaue Augen, wie man sie bei einer Rothaut noch nie gesehen hat.
    Befriedigt lehnte sie sich zurück, und der Schatten der Nase über ihrem Lächeln war gewaltig und verlieh der alten Dame ein schreckliches Aussehen, wie eine Hexe.
    Ich dachte einen Moment lang über den großen Säugling mit dem roten Pelz nach und dann an meinen Rotschopf Richard, der an der Tür stand, mit Kent Peck leise scherzte und ihm in die Jacke half. Doch es gab auf der ganzen Welt keinen Mann, der jungfräulicher war als er. Eine Mutter wusste dergleichen. Niemals hatte er eine andere geküsst als mich. Seine Vorlieben waren keusch und harmlos; er würde ein schlichtes Mädchen zur Frau nehmen und im ersten Monat der Ehe sogar zu schüchtern sein, sie zu berühren. Das alles wusste ich.
    Und da schaute ich Marmaduke an, dessen Gesicht eine bleiche Farbe angenommen hatte, wie Wachs. Er sah, wie ich ihn anschaute, und verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln.
    Wie wundervoll, murmelte er und wich meinem Blick aus. Wir schicken dem alten Davey Shipman ein Fass Wein, sagte er. Dann verbeugte er sich vor uns und ging quer durch das Zimmer zu Mingo und den wartenden Männern, zerzauste im Vorübergehen Jacob das Haar. Das Gesicht meines kleinen Jungen war blass und betroffen; er musste alles gehört haben, der Hauslehrer beugte sich über ihn, flüsterte leise etwas und führte ihn schließlich durch die entgegengesetzte Tür hinaus. Ich stand mit Remarkable beim Kamin, fast hingen meine Röcke ins Feuer, ich sah meinem Mann dabei zu, wie er seinen Mantel überzog, und es kam mir so vor, als lasse er sich absichtlich Zeit dabei, tue es mit quälender Langsamkeit. Ein Jahr schien zu vergehen, bis er den einen Arm im Mantel hatte, und ein weiteres beim anderen.
    Ich war blind gewesen. Ich hatte geglaubt, nachdem ich erst einmal diese Hetty losgeworden und selbst nach Templeton gekommen war, würde Marmaduke treu sein, würde sich an die Gelübde halten, die er vor Gott abgelegt hatte, an dem Tag, an dem wir in Burlington gemeinsam durchgebrannt waren. Und dann musste ich hören, dass Namenlos, dieses unschuldige kleine Indianermädchen, ein rothaariges Kind zur Welt gebracht hatte. In jener einen Nacht alterte ich um zehn Jahre.
    Bevor sie gingen, war niemand mehr im Zimmer als Marmaduke und ich. Und zwischen uns hing düster jener Traum. Der Dreiviertelmond. Das Rascheln und der dumpfe Schlag auf den Kopf. Der Zusammenbruch, der Schössling, die Dunkelheit.
    Ich hätte ihn retten können. Ich hätte ihn davon abhalten können hinauszugehen. Ich tat es nicht.
    Mein Marmaduke, Vater seiner Stadt, wichtiger Mann, Ehemann, Visionär und Dummkopf. Ich ließ ihn seinen Mantel anziehen. Ich ließ ihn seinen Stock und seinen Hut nehmen. Und als er sich noch einmal umdrehte, um mir Lebwohl zu sagen, huschten seine Augen an mir vorbei, vorbei an meiner schmalen Gestalt, vorbei an Remarkable, im Raum umher. Ich fand meine Stimme nicht, um ihn zurückzurufen, ihn vor jener Kreuzung

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