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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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zu warnen.
    Um die Wahrheit zu sagen, ich wollte es auch gar nicht.
    Seine Stiefel stampften über die Dielenbretter des Hauses, das er aus dem Nichts erbaut hatte, dann war er draußen. Ich schaute ihren kleinen Gestalten nach, wie sie sich auf dem verschneiten Weg vorwärtskämpften und hinaus aus dem Tor auf die Second Street traten. Schon bald waren sie von meinem Fenster aus nicht mehr voneinander zu unterscheiden, wie sie sich alle dem Wind entgegenstemmten, dem Schnee. Mein Sohn hätte ebenso gut mein Ehemann sein können, sein Vater wiederum der Sohn. Sie gingen um den Zaun herum, und dann waren sie fort.
    Remarkable wandte sich mir zu, und die Dringlichkeit ihrer Worte brachte ihr Gesicht zum Zucken, wie bei einem Hasen.
    Davey Shipman ist fuchsteufelswild geworden, als er die roten Haare gesehen hat, die blauen Augen, heißt es, sagte sie. Er hat die Hütte zerstört, geriet immer mehr in Rage, sagte zur Hebamme Bledsoe, er würde Richter Temple umbringen. Stürmte mit seinem Gewehr hinaus. Auch Chingachcook, der alte Indianer, starrte den Leichnam der kleinen Namenlos an, stand schließlich auf und zog seinen Tomahawk, und als Hebamme Bledsoe schrie, nickte er bloß und ging die Straße hinunter in Richtung Stadt. Die Hebamme zitterte, war halb von Sinnen vor Angst und Whiskey. Und dann noch Elihu Phinney, betrunken und gefährlich heute Abend nach der Auszählung der Wahl … ihre Stimme versagte ihr, sie deutete in Richtung Straße.
    Remarkable überließ es mir, jemanden zu schicken, der ihn nachHause zurückbringen würde. Ihn vor seinen Feinden warnen. Und auch ein zweites Mal widerstand ich. Ich starrte nur in die finstere Nacht hinaus, auf den grauen Schnee.
    Remarkable und ich, allein im Salon. Schließlich wandte ich mich an meine Widersacherin, meine Freundin.
    Etwas in mir war gerade dabei, mit einem gewaltigen Krachen zu zerbrechen, doch Remarkable konnte es nicht hören, und sie machte auch keinen erschrockenen Schritt von mir weg.
    Setzt Euch zu mir und lasst uns Tee bringen, sagte ich mit einer Stimme, die viel ruhiger war, als ich erwartet hatte. Ich habe Euch nie erzählt, wie ich meinen Mann damals zum ersten Mal gesehen habe. Und die Geschichte, wie wir damals zusammen durchgebrannt sind.
    Da war etwas in meiner Ankündigung, mit dem Remarkable nie gerechnet hatte; sie blinzelte, und obwohl ich sah, dass sie es kaum erwarten konnte, in der Küche mit dem Klatsch über das Neugeborene mit den roten Haaren aufzuwarten, war das hier noch reizvoller. Heute wundere ich mich, dass ihr Herz damals von all der Aufregung nicht geplatzt ist. Sie klingelte nach Tee, nach ihrem Strickzeug, und dann setzte sie sich neben mich und nahm meine Hand.
    Ach, Mistress Temple, sagte sie begierig. Ich brenne darauf, diese Geschichte zu hören.
    Und ich erzählte sie ihr.
    Ich war dreiundzwanzig, schlicht und sehr anständig. Ich hatte ihn gekannt, seit ich klein war, denn wir hatten jahrelang das gleiche Quäkertreffen besucht. Doch er war ein Findelkind, ein Ausreißer von seiner eigenen, übervoll besetzten Farm der Temples. Als er weglief, hatte er nichts außer seinen Reithosen mit nichts darunter, ein Unterhemd, aber kein Hemd. Auch Schuhe hatte er keine. Und er hatte kein Pferd. Er träumte von Kutschen, von dicken Teppichen, er träumte davon, einmal ganz Burlington zu besitzen. Damals hatte er Glück, sowie er immer Glück hatte. An dem Tag, als er weglief, wurde er von Phineas Dorley aufgenommen, der ihm das Küfnerhandwerk beibringen wollte. Als ich ihn an jenem Tag sah, bei unserem Gemeindetreffen, war er neunzehn und bereits Küfnermeister, doch er konnte weder lesen noch schreiben, war ein Tunichtgut, ein Wildfang, der gerne einen über den Durst trank. Und der, wie es hieß, einen unnatürlich starken Hang zu Dienstmädchen hatte. Selbst ich – die streng behütete Tochter des reichsten Witwers von New Jersey – hatte von seinen Ausschweifungen gehört.
    Und dann saßen wir da bei dem Gemeindetreffen, schweigend, und warteten darauf, dass das Wort Gottes uns mit seinem Licht erfüllte. Es war bitterkalt, die Haut um meine Nasenflügel und meine Augen schmerzte, und der Atem der Gemeindemitglieder stieg von unseren Körpern auf und blieb hängen, angebunden an uns wie unsere Seelen.
    Ich saß auf der Frauenseite, meine Schwester Sarah hatte den Platz neben mir. Wie sehr hasste ich meine Schwester an diesem Morgen. Es war ein Hass, wie ihn ein feinsinniger Quäker niemals in seinem Bauch

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