Die Monster von Templeton
verspürt hatte. Sarah war jünger, sie war schöner, sie war leicht wie ein Schmetterling. Binnen zwei Wochen sollte sie mit einem wohlhabenden Quäker aus Philadelphia verheiratet werden und konnte gar nicht aufhören, davon zu reden. Selbst an diesem Tag, da ich neben ihr in der Gemeinde saß, konnte ich spüren, dass sie in Träumen von der Hochzeit schwelgte. Dabei war ich es, die hätte heiraten sollen, ich hatte die Aussteuer angefertigt, die nun meine Schwester zur Gänze mitnahm, denn Sarah war die jüngere Schwester, der es vorbestimmt war, sich um unseren Vater zu kümmern, bis er das Zeitliche segnete. Für eine Ehe war sie nie bestimmt gewesen. Ich schon. Als ihr späterer Gemahl ihr dann heimlich den Hof machte und sie in seinen Antrag einwilligte, als auch mein Vater seinen Segen dazu gab, geriet meine Welt ins Wanken. Ich war auf einmal diejenige, die bei meinem Vater zu Hause bleiben würde. Bei meinem übellaunigen Vater RichardFranklin, einem wohlhabenden, boshaften, gichtgeplagten Mann, der jeden Abend dem Madeira zusprach, dafür in der Gemeinde jedoch nicht gerügt wurde, denn er war reich, und reiche Quäker können sich kleine Verfehlungen leisten, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen.
Ich dachte an die Wüste, zu der mein Leben von einem Moment auf den anderen geworden war, und der Gedanke verstellte dem Licht Gottes auf sündhafte Weise den Weg. Wut stieg in mir auf, so stark und dick, dass ich sie regelrecht schmeckte, und sie schmeckte wie Molasse, wie Blut.
In meinem Ärger blickte ich auf und sah hinüber zu den Männern. Dort in der großen Stille des Versammlungssaales, der erfüllt war von den kleinen Bewegungen kalter Körper und ihren Ausdünstungen, blickte ich auf und begegnete dem schweren, anziehenden Blick jenes Tunichtguts, Marmaduke Temple, der auf mir ruhte. Es entsprach nicht meiner Natur zurückzulächeln, zu tändeln, doch ich glaube, meine Wut ließ es mich doch tun. Er war nur kurz, der Blick, den wir tauschten. Doch als ich am Montag von meinem Roman aufschaute, den ich las, um Zerstreuung von meiner Schwester zu finden, die in meinem Schlafgemach die Leintücher aus meiner Aussteuer zählte, sah ich Marmaduke, groß und wuchtig, der vor dem Haus bei der Eiche stand. Er schaute in mein Fenster. Er sah verloren aus, wie ein Hund.
Ich empfand eine solche Macht, und ich empfand sie immer noch, an jedem Tag jener Woche, wenn er zurückkehrte und dort draußen in der Kälte stand. Der Pferdeknecht ging zu ihm hinaus, um ihm Gesellschaft zu leisten und eine Pfeife mit ihm zu rauchen, und kicherte immer noch über einen Witz, wenn er wieder hereinkam. Die Köchin stahl sich mit einer dampfenden Schüssel Suppe hinaus, und allein an ihrem Gang sah ich, dass zwischen ihnen einmal etwas gewesen war. Ich beobachtete Marmaduke, wie er nach mir Ausschau hielt, und am Ende jener Woche, während mein Vater in Philadelphia war, um dieletzten Vorbereitungen für die Hochzeit meiner Schwester zu treffen, stahl sich Sarah zu ihm hinaus zu der Eiche und sprach mit ihm. Grausames Mädchen – ich konnte sie lachen hören, als sie wieder hereinkam und in ihr Zimmer hochlief, und meine Überraschung war nicht allzu groß, als er am nächsten Tag bei uns im Salon zum Tee saß.
Da hockte er, riesengroß in jenem zierlichen Stuhl, vierschrötig, und wie grässlich waren die gelben Handschuhe an seinen Händen. Armer Junge. Er wusste es nicht besser. Später gestand er mir, der Krämer habe nur dieses eine Paar Handschuhe gehabt, die groß genug für seine Bärentatzen waren, jene Hände, die so behutsam mit Fässern und Fässchen umgehen konnten, diese hart arbeitenden Hände. Indem sie ihn einlud, hatte sich meine Schwester einen üblen Scherz mit ihm erlaubt. Und mit mir.
Meine Teetasse klirrte auf der Untertasse. Ich konnte nicht hinsehen. Und meine Schwester konnte sich nach einem besonders schlimmen Fauxpas von ihm nicht mehr das Lachen verkneifen – sie gab vor, ein Album holen zu wollen, um es ihm zu zeigen, und lief hinaus, um zu lachen. Marmadukes tiefe Stimme, bebend. Eure Schwester, Miss Franklin, war so liebenswürdig, mich einzuladen – doch ich unterbrach ihn.
Grausam, Mr. Temple. Sie ist grausam. Ihr liegt nur daran, uns zu kränken. Für eine mögliche Heirat seid Ihr viel zu gewöhnlich, und ich soll sowieso nicht heiraten. Ich muss mich um meinen Vater kümmern, bis der Herr ihn einst zu sich ruft.
Marmaduke stirnrunzelnd – schon damals ein beeindruckender
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