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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Verwunderung darauf breit. «Es fühlt sich so gut an», sagte sie mit einem glückseligen Lächeln. «Nach so langer Zeit endlich die Wahrheit zu sagen.»
    «Oh. Mein. Gott», sagte ich.
    «Ich hab dich gewarnt», sagte sie. «Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen. Regel Nummer 1.»
    «Verdammte Scheiße.»
    «Schon besser», erwiderte sie.
    «Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße Scheiße», sagte ich.
    «Ich verstehe dich ja», meinte sie.
    Ich drehte mich in meinem Stuhl um und schaute durch das Fenster hinaus auf den See, die Hügel. Draußen flatterten Fledermäuse über dem Teich und tauchten kurz in das Wasser ein, und eine Stockente ließ sich aus ihrem Nest ins Wasser gleiten, elegant wie eine alte Dame mit einer grünen Bademütze, die in der Dämmerung noch einmal eine Runde schwimmen geht. «Und ich», sagte ich schließlich, «kenne ich diesen Mann, der angeblich mein Vater ist?»
    Meine Mutter dachte einen Moment lang nach, dann sagte sie: «Vielleicht.» Ich hörte das unterdrückte Lächeln in ihrer Stimme. Gut möglich, dass sie meinte, dass das Ganze besser lief, als sie gedacht hatte. Ich sagte: «Wer ist es?»
    «Ach, das», erwiderte sie. «Das kann ich dir nicht sagen.»
    Ich drehte mich zu ihr um und starrte sie finster an. «Du kannst nicht?», fragte ich. «Du willst nicht, meinst du wohl.»
    «Ja», sagte sie. «Das stimmt. Es wäre nicht fair ihm gegenüber.»
    «Fair?», fragte ich. «Fair?»
    Die Vase mit den Tigerlilien zerbrach nicht, wie erwartet, als sie aufdie Wand traf, sondern prallte nur mit einem dumpfen Krachen von der Mauer ab und dann nochmals vom Boden. Ein wenig Wasser floss heraus, aber die Lilien blieben in der Vase stecken. Das war nun gar nicht die Art von Zerstörung, auf die ich gesetzt hatte. «Es wäre nicht fair?», fragte ich donnernd meine Mutter und klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. «Fair?»
    Meine Mutter schloss die Augen und umfasste das Kruzifix mit beiden Händen. Als sie die Augen wieder öffnete, lächelte sie. Sie sagte: «Da bist du ja endlich wieder, Willie. Ich wusste doch, dass du irgendwo da drin steckst.» Sie schaute mich voller LiebeZuneigungZärtlichkeit an. Ein Gestank nach verkokelndem Märtyrer lag in der Luft.
    «Komm du mir bloß nicht so heilig», sagte ich. «Wag es bloß nicht, Vi. Du bist so eine schreckliche, schreckliche Heuchlerin. Ich habe einen
Vater
in Templeton, den ich vielleicht wirklich kenne, und du hast mir das achtundzwanzig Jahre lang verheimlicht. Achtundzwanzig Jahre lässt du mich in dem Glauben, ich sei das Produkt heftigster Rammeleien bei einer wilden Hippieorgie. Und jetzt willst du mir nicht verraten, wer es ist? Das muss doch
verdammte Kacke noch mal
ein Witz sein! Und ausgerechnet jetzt sagst du mir das?
Ausgerechnet jetzt?»
    «Ich hab dir gesagt, dass es mir leid tut», sagte sie. Ihre Hände machten sich mit flatternden Bewegungen, wie Motten, am feuchten Laib ihres Zopfes zu schaffen.
    «Vi», sagte ich. «Hast du denn nicht mal nachgedacht? Was, wenn ich mit seinem Sohn ausgegangen bin? Du hast doch nicht mal die Hälfte der Leute gekannt, mit denen ich in der Highschool ausgegangen bin. O mein Gott. Was, wenn ich
mit ihm
ausgegangen bin?»
    Und meine gottverdammte Mutter hatte sogar den Nerv zu lachen.
    «Du hattest doch nie die Angewohnheit», sagte sie, «mit alten Männern auszugehen, bevor du am College warst.»
    «Du schreckliches Weib», sagte ich.
    «Tut mir leid», sagte sie. «Ich konnte nicht widerstehen. Es ist nichtlustig. Ich weiß. Aber so schlimm ist es auch wieder nicht, Willie. Ich versprech’s dir.»
    «Wer ist es?», fragte ich.
    «Du weißt, dass ich dir das nicht sagen kann.»
    «Wer ist es?»
    «Tut mir leid, Fehlanzeige.»
    «Und wenn ich von selber draufkomme?»
    «Das wirst du nicht.»
    «Doch.»
    «Nein», sagte sie. «Und wenn du draufkommst, kann ich es nicht bestätigen.»
    «Also kenne ich ihn.»
    «Vielleicht.»
    «Gib mir einen Hinweis.»
    «Nein.»
    «Und was ist mit dem Versprechen, nie zu lügen? Und keine Geheimnisse zu haben?»
    «Das gilt für meine eigenen Lügen. Meine eigenen Geheimnisse.»
    «Vivienne-verdammt-noch-mal Upton, du gibst mir jetzt auf der Stelle einen Hinweis. Nenn es meinetwegen Buße dafür, dass du dein einziges Kind bezüglich seines gottverdammten Vaters ein Lebtag lang angelogen hast. Nenn es Ablass oder Avemaria oder wie auch sonst ihr so was in aller Teufels Namen nennt.»
    «Nein. Ich bin wiedergeborene Baptistin, keine

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