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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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blinzelte er ein paarmal vor Rührung. «Es ist ein historischer Tag.»
    «Historisch?», knusperte und knabberte der Reporter. «Dr. Kwan, erklären Sie unseren Zuschauern bitte, warum?»
    «Nun, Peter, eine Entdeckung von solcher Tragweite haben wir noch nicht gehabt. Jedenfalls nicht, seit ein paar Fischer vor der Küste von Sulawesi in Indonesien eine neue Spezies von Quastenflossern entdeckt haben. 1938. Ein lebender Dinosaurier. Ein Tier, das achtzig Millionen Jahre aus dem Fossilienbestand der Erde komplett verschwunden war. Und dann haben wir es
wiedergefunden
! Dabei könnte diese Entdeckung hier im Flimmerspiegelsee noch weitaus bedeutender sein. Wir haben einfach noch keine Ahnung, um was für eine Spezies es sich bei dem Tier handelt. Nicht einmal, was es überhaupt ist. Es könnte eine ganz neue Spezies sein! Und vielleicht hat es
nie
einen Fossilienbestand gehabt!» Hier ließ der Zoologe ein bellendes Lachen hören.
    «Das ist wirklich unglaublich, unglaublich, Professor Kwan! Einige unserer Zuschauer möchten gerne wissen, ob es sich bei dem Fund möglicherweise um das berühmte fehlende Glied handelt. Was meinen Sie?», fragte der Interviewer mit gewichtiger Miene.
    Der Biologe schien mit der Antwort auf diese Frage seine Probleme zu haben und bewegte einen Moment lang stumm die Lippen, während er darüber nachdachte.
    In die Stille hinein sagte meine Mutter, so leise, dass ich sie kaum hören konnte: «Sunshine, ich muss dir etwas sagen.»
    Ich wartete, aber sie sagte nichts mehr, und schließlich kam stotternd wieder Leben in den Zoologen. «Wie meinen?», fragte er. «Das fehlende Glied zwischen was und was?»
    «Oh», wand sich der Reporter. «Nun, zwischen Fisch und – na ja, ich vermute … Nichtfisch?»
    Der Zoologe wischte sich über die Stirn, und an seiner Hemdbrust blühte ein neuer Feuchtigkeitsherd auf. «Nun, ich weiß nicht, was das bedeutet. Aber vielleicht. Es ist noch viel zu früh, um das zu sagen», fügte er hinzu.
    Dann bedankte sich der Reporter, die Kamera schwenkte ab, und ein weiterer Berichterstatter trat auf die Bildfläche und führte ein Interview mit dem Bürgermeister unserer Stadt, einem beleibten Typen mit einer Vorliebe für geschnitzte Stöcke und zu kurze Shorts, dessen Stimme so dröhnend war, dass man den Eindruck hatte, sie komme nicht aus seinem Mund, sondern aus den Tiefen der Erde unter seinen Füßen. «Wir in Templeton», sagte er gerade, «kannten immer schon die Legende von dem Ungeheuer, das im Flimmerspiegelsee wohnt, Flimmy nannten wir es. Lange Zeit hat es die Camper im Sommer regelmäßig in Angst und Schrecken versetzt, wenn sie abends am Lagerfeuer saßen und ihr Seemannsgarn bei Hotdogs und gegrillten Marshmallows auf Schokosandwich spannen, dort am Seeufer, in den Tagen des Eisvogels, als …» An diesem Punkt schaltete meine Mutter den Fernseher ab, die Hände immer noch mit Fetakäsewürfeln verklebt.
    «Wilhelmina Sunshine Upton, ich
sagte,
ich muss dir etwas mitteilen», meinte sie.
    «Jesus, Maria und Josef», sagte ich. «Ich warte schon seit drei Minuten drauf, dass du endlich deinen Satz zu Ende bringst.»
    «Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen», sagte sie.
    Ich seufzte. «Vi», sagte ich. «Bloß weil du an diesen ganzen Gotteskram glaubst, heißt das noch lange nicht, dass du mir das Wort verbieten kannst.»
    «
Mein
Haus», sagte sie. «
Meine
Regeln.» Sie setzte sich an den Küchentisch, umweht von einer Duftwolke aus Käse und rohem Fleisch. «Das ist Regel Nummer 1. Regel Nummer 2 ist: Solange wir es nicht geschafft haben, dich aus der Scheiße zu holen, in die du dich selbst reingeritten hast, wirst du nicht bloß hier rumsitzen und den ganzen Tag Trübsal blasen. Hast du gehört, was ich gesagt habe?»
    «Ich hab’s gehört», murmelte ich. Ich spielte mit den Blütenpollen der Tigerlilien, die, stark und widerlich süß duftend, in einer Vase auf dem Tisch standen.
    «Du musst dir irgendwas vornehmen. Versuch’s mal bei der NYSHA. Ich bin mir sicher, das Museum der amerikanischen Ureinwohner könnte noch ein paar Tonscherben brauchen. Buddel irgendwas aus, wer weiß. Oder mach Führungen. Oder besorg dir einen Job beim Baseballmuseum. Oder lass dir ein Kostüm aus dem neunzehnten Jahrhundert anziehen und lerne Besenflechten im Bauernmuseum. Es gibt weiß Gott genügend historische Stätten hier, an denen du dich nützlich machen kannst, bis du wieder nach Stanford zurückkannst.»
    «Vi», sagte ich. «Es tut

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