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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Katholikin», sagte sie.
    «Und du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen.»
    «Gib mir jetzt verdammt noch mal einen Hinweis, und ich werde bis in alle verdammte Ewigkeit aufhören, den Namen des Herrn zu missbrauchen.»
    «Na gut», sagte sie. «Okay. Ein Hinweis. Macht gar nichts, weil du es nirgendwo schriftlich finden wirst, und er hat es mir auch nur einmal gesagt, und es ist nur ein Gerücht. Du kannst deinen Hinweis haben, aber er wird dir nicht weiterhelfen. Also dann, hier.»
    «Bei Jesus Christus, verdammt noch mal, sag’s mir.»
    «Na gut», antwortete sie. «Du weißt, dass wir sowohl über die Uptons als auch über die Averells mit Marmaduke Temple verwandt sind?»
    «Ja, natürlich.»
    «Nun, er hat behauptet, er sei ebenfalls mit Marmaduke Temple verwandt. Durch irgendeine Liebschaft irgendwann in der Vergangenheit. Aber ich werde dir nicht erzählen, was er mir gesagt hat, bloß dass du, Willie Upton, in
drei
Linien von Marmaduke Temple abstammst. Drei. Was ziemlich erstaunlich ist.»
    Das Gesicht meiner Mutter hatte eine tiefrote Färbung angenommen, und sie keuchte ein wenig. Zwischen uns gab es einen langen, angespannten Moment, und dann sah ich, wie ihre Augen ganz rund wurden, wie sie die Lippen schürzte und sich einfach in ihrem Stuhl zusammensacken ließ und mich nicht aus den Augen ließ, weil ihr bewusst wurde, was sie getan hatte. Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete; dieses Geheimnis musste achtundzwanzig Jahre in ihr gebrannt haben, musste meine Mutter mit seinem ganzen Druck gequält und bedrängt haben. Ich hatte immer gewusst, dass sie auf ihre Abstammung stolzer war, als sie es je zugeben würde. Als ich klein war, war ihr der Gedanke an ihre Familie ein Trost gewesen, ein sprudelnder Quell der Kraft und der Grund dafür, dass sie überhaupt dazu in der Lage gewesen war, in Templeton zu bleiben. Und jetzt hatte sie dieses Geheimnis preisgegeben und musste tatenlos zuschauen, wie es sich mit einer schwungvollen Drehung von ihr entfernte wie ein tanzender Dämon.
    «Oh-oh», machte sie. Sie begann rasch zu blinzeln.
    «Oh-ho-ho-ho-ho», machte ich.
    Die Hände meiner Mutter wurden ein bisschen weiß um die Knöchel. «Willie», sagte sie. «Mit dieser Information wirst du es auf gar keinen Fall schaffen draufzukommen, wer es ist. Richtig?», fragte sie.
    «Liebste Vivienne», sagte ich. «Du vergisst, dass ich Forscherin bin.
Ich mache nichts anderes.»
    «Bitte», sagte sie. «Tu’s nicht.»
    «Vi», sagte ich. «Es steht dir nicht zu, mich um einen Gefallen zu bitten. Überhaupt nicht. Vielleicht nie mehr.»
    «Ach du meine Güte», sagte sie. «Du wirst einfach keine Ruhe geben, stimmt’s?»
    «Dickköpfigkeit», sagte ich. «Und ein gutes Gedächtnis. Keine gute Paarung.»
    «O nein, nein, nein. Was hab ich bloß getan?» Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
    «Genau. Was hast du getan? Oder eigentlich lautet die Frage ja:
Wer war’s?»,
sagte ich. Ich fühlte mich erschöpft. Ich streckte die Arme über meinem Kopf aus und spürte in genau dieser Haltung einen winzigen Schlag in meinem Bauch, wie ein kleines, hungriges Pulsieren. «Nun, Vi», sagte ich. «Ich denke, ich weiß jetzt, was ich mir vornehme. Regel Nummer 2, so hast du es doch genannt, oder? Dass ich mir was vornehmen soll. Und was ich mir da vornehme, ist gut. Schwierig, aber ich bin zuversichtlich.»
    Meine Mutter stand auf, vor sich hin murmelnd, und kehrte zu den Hühnerbrüsten und der Zubereitung des restlichen Abendessens zurück, wobei sie mir ab und zu verstohlen kleine, besorgte Blicke zuwarf. Während sie den Salat aus dem Garten wusch, ging ich auf die Veranda hinaus und stand in der hereinbrechenden Dunkelheit. Der Mond stand aprikosenfarben über den Ausläufern der Hügel, und vom Country Club wehte die sanfte Musik einer Bigband über das Wasser wie der Ruf eines Käuzchens. Überall um mich herum schien Templeton auf der Lauer zu liegen und den Atem anzuhalten. Unten, am Rande des Parks, bei dem Ungeheuer, hielt wohl jemand bei Kerzenlicht Wache, denn das Zelt war von einem sanften, flackernden Licht erhellt. Und während sich um mich herum langsam die Nacht herabsenkte und immer dichter wurde, stellte ich mir vor, wie der Körper des Ungeheuers dort in diesem stillen Licht dümpelte wie im Wasser, von allen Seiten umgeben von seinen hungrigen, leckenden Wellen.

Der Wolf an der Tür
    Ich brauchte noch ein paar Stunden nach dem Abendessen, bis ich den

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