Die Monster von Templeton
gut», sagte ich und schlüpfte in mein Auto. «Danke, Felcher. Du hast was gut bei mir.»
«Für mein Mädchen doch immer», sagte er und machte sanft die Autotür für mich zu. Schließlich beugte er sich noch mal durch mein Fenster und sagte: «Ach, übrigens, Willie. Keiner nennt mich mehr Felcher. Nenn mich Zeke oder Ezekiel. Meine Kumpels nennen mich Zeke.»
«Zeke», sagte ich. «Ezekiel. Klingt lustig, ist aber okay.»
«Na, dann gut», sagte er und schlug mit Schmackes auf das Dach meines Autos, als wäre es der Hintern eines Pferdes und ich ein Cowgirl, das gerade die Jährlinge einreiten soll. Ich wendete, wie angekündigt, im Temple Park und flitzte davon, hinunter in Richtung des schieferblauen Sees. Ich war schon fast zu Hause, als ich zu lachen anfing: Auf der Highschool hatten wir ihn Felcher genannt, als eine Art Gegenzauber für seinen Charme und sein unmöglich gutes Aussehen, als wollten wir ihn damit ein wenig in das Reich der Normalsterblichen herabholen. Wir besaßen keine anderen Waffen gegen ihn als diesen Namen,
Felcher,
der im Englischen eine sexuelle Praxis bezeichnet, bei der man mittels eines Strohhalms Samen aus dem Rektum eines anderen saugt. Zehn Jahre nach der Highschool hatte er sich so gründlich verändert, dass es nicht mehr nötig war, ihm diesen obszönen Namen zu verpassen. Heutzutage wandelte er wieder unter den Sterblichen, und wir fühlten uns sicher genug, ihm seinen eigentlichen Namen zurückzugeben. Ezekiel. Ich konnte nicht aufhören zu lachen, bis ich in der Auffahrt des Hauses parkte.
Morgens ging Vi zur Arbeit, und bis zum Nachmittag war ich es leid, von meinem Fenster aus verstohlen zum Zelt des Ungeheuers zu spähen. Man hatte einen Kran angefordert, um den Kadaver irgendwohin zu bringen, doch bisher war noch nichts unternommen worden, um ihn anzuheben. Von meinem Platz am offenen Fenster aus konnte ich das leise Raunen der Menge hören, die Rufe der Getränkeverkäufer und die Stimmen der Reporter, die für die Übertragung ihre Texte einstudierten.
Ich trat auf den Flur hinaus, wo meine Mutter eine Art Ahnengalerie eingerichtet hatte. Sie begann unten im Erdgeschoss, wo, in leuchtenden Farben und von gewaltiger Größe, ein Druck von Gilbert Stuarts Gemälde von Marmaduke mit seinem strengen Blick, dem roten Haar und dem wuchtigen Kinn prangte. Direkt gegenüber, über den mittleren Stufen des Treppenhauses, hing seine kleine Frau Elizabeth, ein sprödes, vertrocknetes Ding. Von ganz oben an der Treppe strahlte der große Schriftsteller Jacob Franklin Temple gütig auf den Betrachter herab. Und dann schließlich, auf der gesamten Länge des Korridors, der zu meinem Zimmer führte, hingen Dutzende von Zeichnungen, Stichen und Fotografien späterer Vorfahren, die schließlich mit Bildern von mir direkt gegenüber meiner Tür endeten. Von meiner Mutter gab es nur zwei Fotos: eines als kleines Mädchen in einem niedlichen Kleidchen und ein zweites als langhaariger Halbhippie.
Als ich sie da so hängen sah, in dem typisch verblichenen Orange der Fotos aus den Siebzigern, presste ich meine Arme fest auf meinen Nabel und sagte zum Klümpchen: «Schau sie dir bloß an, all deine verrückten Vorfahren.»
Ein Schritt in Richtung Treppenhaus genügte, und da hingen meine Großeltern an ihrem Hochzeitstag. Mein Großvater, der damals erst achtzehn gewesen war, wirkte in seinem Anzug klapperdürr. Seine Frau, Phoebe Tipton, mit achtundzwanzig bereits eine alte Jungfer, sah reizbar aus mit ihrer gewaltigen Nase, dem nicht vorhandenen Kinn und ihrem runden kleinen Körper. Beide waren, wenn man ehrlichwar, unattraktiv. Und sie sahen in ihren Hochzeitsgewändern dermaßen versteinert und steif aus, dass sie alle beide mit Sicherheit unberührt in die Ehe gegangen waren. Dann hatten sie das kleine schmutzige Spielchen einmal gespielt, um meine Mutter zu produzieren und es dann mit einem Seufzer der Erleichterung wieder ad acta zu legen. Da keiner von beiden, dessen war ich mir sicher, der außereheliche Erzeuger meines Vaters gewesen sein konnte, tat ich einen weiteren Schritt auf das Treppenhaus zu, um mir meine Urgroßeltern anzuschauen.
Die Eltern Phoebe Tiptons – also meiner Großmutter – waren um keinen Deut ermutigender als sie selbst. Claudia Starkweather und Chuck Tipton hielten beide Bibeln fest in der Hand. Claudia war farblos, hager und hatte Phoebes enorme Nase und das nicht vorhandene Kinn; Chuck Tipton war riesig und sah ziemlich einfältig aus. Claudia
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