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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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war durch Hetty eine direkte Nachfahrin von Marmaduke, sah dabei aber nicht so aus, als hätte sie die Fantasie, die zu einer Affäre gehört.
    «Nein», sagte ich zum Klümpchen. «Vergiss es. Die ist es nicht.»
    Ich ging weiter zu den Eltern meines Großvaters, da Sarah Franklin Temple eine legitime Nachfahrin von Marmaduke gewesen war. Hier begann ich zu grinsen, denn beide Eltern meines Großvaters, Sarah Franklin Temple und Asterisk «Sy» Upton, waren schöne Menschen gewesen. Bei Sarah handelte es sich um eine attraktive Brünette mit heller Haut und klaren Augen; ihr Ehemann, Sy, war auf stämmige Art gut aussehend und trug ein verwegenes Grinsen auf dem Gesicht. Ich konnte mir leicht vorstellen, dass Sarah herumgevögelt und ein unehelich geborenes Kind irgendwo in einem Kloster untergebracht, alle Spuren verwischt hatte und in die Stadt zurückgekehrt war, um den erstbesten Mann zu heiraten, der sie haben wollte. Wenn ich mir ihr schönes Gesicht betrachtete, so glaubte ich darin eine verborgene Tiefe zu entdecken, eine Verschwiegenheit, mit der ich nicht gerechnet hatte.
    Als Nächstes nahm ich mir das Bild meiner Urgroßeltern vor, wie sie an irgendeiner windigen Örtlichkeit standen und Eleanor und Franklin Delano Roosevelt die Hand schüttelten. Ich küsste sie beide. Obwohl Sy viele, viele Jahre lang der Baseballbeauftragte der Stadt gewesen war, hatte meine Mutter die meisten seiner Papiere der New York State Historical Association gestiftet anstelle des Baseballmuseums, was zu der damaligen Zeit einen ziemlichen Aufruhr verursacht hatte. Doch mir nützte es immerhin, denn ich wusste, wo ich zu suchen hatte, wenn ich mehr Information wollte. Ich bezweifelte, dass es zu Sarah noch mehr Dokumente gab, und war bereits darauf eingestellt, eher das Leben ihres Mannes nach Hinweisen auf eine wie auch immer geartete Untreue zu durchforsten. Eine unerklärliche Feindseligkeit gegenüber einem rüpelhaften jungen Mann aus der Stadt. Ein boshafter Brief an den ahnungslosen Ehemann. Etwas in der Art, irgendein kleines goldenes Körnchen Wahrheit, das niemandem sonst wichtig gewesen wäre, mir jedoch die Welt bedeuten würde.
    Ich war so aufgeregt, dass ich meinen Entschluss sausen ließ, so lange zu Hause zu versauern, bis Primus anrief. Ich holte mir ein Notizbuch und einen Stift und eilte die Halle entlang, vorbei an den früheren Vorfahren, an Jacob und Elizabeth und Marmaduke, hinaus durch die große zweigeteilte Tür und wieder auf die Lake Street hinaus.
    Die abgeschrägten Dreiecke der Hopfenstangen beim Bauernmuseum, in die Mitte gekauert das Dörfchen aus dem neunzehnten Jahrhundert, der Geruch nach Dung; die lange, hügelige grüne Grasnarbe des Golfplatzes zu meiner Rechten und der Country Club mit seinen ploppenden Tennisbällen und einer Gruppe von Segelbooten, die auf den See hinausfuhren. Und dann endlich Franklin House, das steinerne Herrenhaus mit seinen Säulen, das vor fünfunddreißig Jahren noch meiner Familie gehört hatte, in dem sich heute jedoch ein Museum befand. Einen Moment lang sah ich geisterhaft Pferde vor mir und Landauer, die mit Hufgeklapper die lange Auffahrt zum Haus hochfuhren; seineSäulen waren für einen Ball mit Girlanden geschmückt und die Fenster hell erleuchtet. Die Bibliothek lag in einem bescheideneren Steingebäude etwas abseits. Einen Moment lang blieb ich draußen stehen und nahm all meinen Mut zusammen. Dann öffnete ich kühn die Tür und trat in die schummrig beleuchtete, kühle Eingangshalle.
    An einem Schreibtisch saß eine alte Frau, die mit ihrem hageren Kiefer und den weißen Haarbüscheln am Kinn eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit einer Ziege hatte, doch sie hatte den Kopf auf die Brust sinken lassen und schnarchte vor sich hin. Vor ihr stand ein Schild mit der Aufschrift:
EINTRITT
$ 5.
MITGLIEDER DER NEW YORK STATE HISTORICAL SOCIETY SOWIE PROMOVENDEN DES FACHS GESCHICHTE EINTRITT FREI
. Ich dachte an meinen Mann aus der Vorgeschichte, der die vereiste Beringstraße überquerte, an all die Stunden, die ich auf Knien verbracht hatte, um vorsichtig Tundrastaub von irgendwelchen Fundstücken zu entfernen, trug mich als Graduierte im Fach Geschichte ein und machte mich an die Arbeit, indem ich einen dürren Bibliothekar mit Schnurrbart, der jedes Mal feuerrot wurde, wenn ich ihn ansprach, auf die Suche in den Regalen schickte.
    Viele Stunden später saß ich noch immer an einem der Eichentische in der Bibliothek, als die Sonne hinter den Hügeln

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