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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Kaffee saßen, rochen wir im Wind den Rauch einer weiteren Parzelle Wald, die abgebrannt wurde, ein Geruch der Zerstörung, ein Pesthauch, der erst mit Marmaduke Temple aufgekommen war. Wir lebten damals schon Jahre zusammen, und ich wusste genau, was Sagamore dachte. Nämlich, dass es erst ein paar Jahre her war, dass wir Duke damals gesehen hatten, wie er durch den Wald gestolpert kam, vor sich hin brabbelnd wie ein Idiot oder wie die vom Krieg halb wahnsinnigen Soldaten aus dem Franzosenkrieg, die einst vor den Forts gestanden hatten, halb nackt, bettelnd, mit entblößten Stümpfen. Der eine zeigte sogar seinegeschwollenen Geschlechtsteile, drei Kürbisse aus Fleisch, weil sie in keine Hose mehr passten und er sich weigerte, etwas anderes anzuziehen: Verrückt war der, das war offensichtlich. Als Duke an jenem Tag den Berg hochtaumelte, hatte er dieselben Sterne in den Augen. Wir standen da, Sagamore und ich, inmitten der Bäume, eine blutende Ricke zwischen uns. Wir sahen zu, wie der Riese den Hügel hochstolperte, wie er sich immer wieder stieß. Ein Mann wie er, in seinen schönen Kleidern, passte so gar nicht in die Wälder, sodass uns der Mund offen stand. Wir lachten, dachten, den würden wir nie wiedersehen.
    Doch wie unerfahrene Jäger gingen wir damals in unsere eigene Falle. Ein Mann, der an einem Ort lebt, der sich nicht ändert, rechnet nicht damit, dass er es doch tut. Dieses Land, dieser See hatten alle Versuche abgeschüttelt, gezähmt zu werden, deshalb dachten wir auch, es würde immer so bleiben. Lange vor uns hatte es die einheimischen Völker gegeben, die Irokesen, die sechs Stämme von Haudenosaunee, die an diesem See ihr Sommerlager aufgeschlagen hatten, Bohnen anpflanzten und Kürbis und Mais im Tal des Flusses. Sie taten es noch, als ich damals als Frischling an den See gekommen war und eine solche Schönheit erblickt hatte, dass ich fürchtete, mein Herz würde vergessen zu schlagen. Das Land
war
ich, es fügte sich mit mir zusammen wie Nut und Feder. Und so kam ich immer wieder an den See, immer wieder, selbst nachdem die Mohikaner sich am Council Rock getroffen und beschlossen hatten, sich den Franzosen anzuschließen. Eine schlechte Wahl. Sie verloren alles, als die Engländer siegten.
    Nach dem Franzosenkrieg baute ich meine Hütte hoch über dem See und war eine ganze Weile allein dort. Dann wurde ich Zeuge, wie Moses der Mohikaner seine kleine Akademie am südlichsten Zipfel des Seenlandes aufbaute. Doch jener Winter war hart. Er hatte nicht genügend Vorräte angelegt. Als es taute, waren einige der Schüler tot, andere aufgefressen. Moses ward nie wieder gesehen. Wahrscheinlich ist auch er gefressen worden.
    Dann kamen die beiden, die sich paarten wie die Tiere. Ein Mann und eine Frau, sie so schön anzuschauen. Ich lachte, als ich ihnen zuschaute, denn sie glaubten sich unbeobachtet in solcher Wildnis. Allein. Hatten nur Augen füreinander und sahen deshalb nicht den Rauch aus meiner Hütte, der über dem Hügel in die Höhe stieg. Sie begannen nackt umherzugehen, bis eines Tages urplötzlich ein Schneesturm von Norden her aufkam und sie Holz sammeln mussten, nackt wie Säuglinge, und sich verirrten. Sie erfroren in einem einzigen blauen Eisblock, noch immer eng umschlungen, an der Mündung des Flusses. Ich begrub sie, noch immer eng umschlungen, am Flussufer.
    Und ich beobachtete von meiner Hütte aus, wie noch jemand kam, ein deutscher lutheranischer Priester, ein böser Mann namens Hartwick, der im Wald eine Gemeinschaft ins Leben rief, die nur Gemüse aß und kalte Bäder nahm. Wenn er mich sah, kreuzte er die Finger, als wäre ich der Teufel, des Fleisches wegen, das ich in meiner Räucherkammer aufhängte. Seine Gefolgsleute gingen weg, einer nach dem anderen, und ich sah es. Als sie alle fort waren, lief er zum See und las mit lauter Stimme den Fischen aus der Bibel vor, wutentbrannt. Ich sah, wie er ins Wasser hinabspähte, etwas entdeckte, strauchelte. Wie er hineinfiel und ertrank. Als ich hinausruderte, um ihn zu finden, war er verschwunden. Ich glaube, das große Tier aus dem See nahm ihn mit, das Tier, das die Haudenosaunee in ihrer Sprache den Traurigen Alten Geist nennen.
    Nach ihm, während der Revolution, kam eine Truppe von einhundert Männern unter General Clinton, die den Winter über eingeschneit waren und von feindlichen Rothäuten belagert wurden. Rebellen. Man beschloss, auf dem Fluss einen Damm zu bauen und sich auf den Fluten nach Pennsylvania tragen zu

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