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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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ich meistens mit einer Salve aus meiner guten alten Büchse. Richard, Dukes großer behaarter Sohn, war eine gute Seele, weshalb ich ihm oft eine Portion Wildgulasch anbot, woraufhin er mich milde verwarnte und die Strafe aus eigener Tasche bezahlte.
    Doch davon wollte Duke nichts wissen. Mein Land, sagte er. Mein Wild.
    Niemandes Land. Mein Schuss, sagte ich. Mein Wild.
    Jetzt jedoch trat Sagamore aus der Hütte, das Gesicht in Falten gelegt. Hast du das gehört?, sagte er in der Delawarensprache, und ich lauschte, sagte aber Nein. Worum geht’s?, fragte ich, aber Duke hatte sein wütendes Gesicht abgelegt und nickte meinem Freund respektvoll zu. Wie geht es Euch, Häuptling Chingachcook, sagte er, denn so nennen die Weißen Sagamore. Obwohl ich den Mann hasste, mochte ich ihn auch wieder ein wenig, weil er meinen alten Freund mit Respekt gegrüßt hatte.
    Sagamore aber beachtete ihn gar nicht. Er wandte sich mir zu, und sein Gesicht wurde weich und verzog sich fast zu einem Lächeln. Tauben, sagte er und lachte.
    Und da hörte ich es in der Ferne, das Flattern. Ich sah, wie sich die dunkle Masse über den Hügeln auftürmte, und dann liefen Sagamore und ich in die Stadt hinunter. Alle zwölf Jahre kamen sie, ein Segen waren sie, diese Wandertauben, und sie kamen zu Zehntausenden. In dem Moment waren wir wieder zu jungen Jägern geworden, die den Huronen auf der Lauer lagen, obwohl wir keine Waffen mitgebracht hatten, um Jagd auf jene schönen Vögel zu machen. Hinter uns rief Duke: Was in aller Teufels …, und dann schien er zu begreifen, denn seine großen Stiefelschritte kamen donnernd hinter uns her und hatten uns fast eingeholt, als wir den Susquehanna überquerten.
    Dann fielen die Tauben über die Stadt her, der Wind aus ihren Schwingen stieß die Schindeln von den Häusern und holte die Laken von denWäscheleinen. Der blaue Himmel ertrank in feuerroten und schwarzen Federn. Die Frauen liefen ins Haus, die Arme über dem Kopf, um ihre Hauben vor dem Taubenkot zu schützen. Burschen und Männer liefen zu den Feldern am See, die Gesichter glänzend vor Freude. Was auch immer sie warfen, holte einen Vogel herunter. Stecken, Steine, Schuhe, Besen, Butterfässer, Spielzeugsoldaten, Hobel, Latten, Nudelhölzer. Manche zielten einmal und holten drei Vögel herunter. Ein seltsam dreinblickender Junge mit einem wandernden Auge schwenkte eine Sichel in der Luft, und als er sie sinken ließ, hatte er darauf sechs Vögel aufgespießt, mitten durch die immer noch bebende Brust. Gewänder und Gesichter waren mit Blut und Unrat bespritzt. Remarkable Prettybones, Dukes Haushälterin, schlug um sich wie eine alte Fledermaus, fing Vögel mit den bloßen Händen, brach ihnen das Genick, stopfte sie in Mehlsäcke. Die alte Clinton-Kanone, auch Cricket oder Grille genannt, wurde aus einer Scheune gezogen. Mit einem Donnern, das sich von den Hügeln herabwälzte, und einem großen Hurra flog eine ganze Ladung Schrot aus alten Nägeln in die Luft, mitten in die Gehirne Tausender Tauben.
    Als die große Masse der Vögel wie ein schwarzer Nebel über die Hügel zurückflog, standen wir knietief in den toten Tauben, von denen manche schluchzten wie kleine Kinder. Gesättigt, wie sie waren, überließen die Siedler sie ihrem Leid.
    Das alles hatte ich mir angesehen, und mir war übel, entsetzlich übel. Ich konnte mich nicht bewegen. Die Tauben waren stets alle paar Jahre gekommen, hatten sich über das Land gelegt wie ein Gebet. Heute hatte man sie zum ersten Mal mit einem Gemetzel willkommen geheißen. Ich zertrat den Kopf eines blutigen Vogels, um ihn von seiner Qual zu erlösen, und Zorn stieg in mir auf, finster und stark. Was für eine Verschwendung. Was für sinnloser Schmerz.
    Duke war derjenige, der dieses Abschlachten zugelassen hatte. Er hatte gelacht und gelacht. Er hatte den Vorschlag mit der Kanone gemacht. Er hatte sein jüngstes Kind, den sauertöpfischen kleinen Jacob,auf den Schultern getragen. Dort saß der Junge, mit großen Augen, blutbefleckt, errötet und – lächelnd.
    In meiner Brust war ein schrecklicher Schmerz, und mein alter Freund Sagamore war auf die Knie gesunken und rang um Luft. Von jenseits des Schlachtfelds, über dem Stille herrschte, sah Duke, wie Sagamore kniete, und die Freude wich aus seinem Gesicht. Er setzte Jacob ab, schickte ihn zu Remarkables Röcken. Er kam näher. Ich machte einen Schritt vorwärts und behielt dabei den Tomahawk meines alten Freundes im Auge. Trotz allem, was ich für

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