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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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gelb geworden. Fünfmal am Tag schwankt er zwischen manisch und depressiv. Gestern hat er einen Witz erzählt, der so lang und unzusammenhängend war, dass Johann ihn unterbrach und selber einen erzählte, damit Frankie nicht das Gesicht verlor. Danach liefen wir schweigend zurück und blieben nicht einmal auf einen Kaffee im Cartwright Café sitzen, wie wir es sonst immer tun.
    Templeton ist traurig geworden, finden wir. Diesen Sommer fühlt es sich irgendwie düster an. Wir hatten noch keine Zeit, im CountryClub abzuhängen. Auch zum Golfspielen sind wir noch nicht viel gekommen. Dem verrückten Piddle Smalley steht neuerdings Schaum vor dem Mund; kürzlich hat er sich vor einem jungen Mädchen unsittlich berührt, und seine Eltern waren gezwungen, ihn auf seinem Zimmer einzusperren, bis die neuen Medikamente Wirkung zeigen. Insgeheim, im tiefsten Inneren unseres Herzens, glauben wir, dass das alles mit dem Ungeheuer zusammenhängt. Sobald es gestorben war, ging es mit unserem Leben bergab.
    Und trotzdem laufen wir noch. Unser Durchschnittsalter von 57,92 Jahren haben wir nicht erreicht, ohne zu wissen, dass man einfach weiterläuft, und wenn es wehtut, dann läuft man eben noch ein bisschen, und wenn es noch schlimmer wehtut, dann noch ein Stück, und wenn man dann fertig ist, hat man es geschafft. Am Ende, wenn man mit dem Lauf fertig ist und mit dem Dehnen beginnt, wenn der Puls wieder langsamer wird und der Schweiß trocknet, wenn man wirklich den harten Teil hinter sich gebracht hat, dann wird man sich an keinen Schmerz mehr erinnern.

Davey Shipman (alias Lederstrumpf, Natty Bumppo, Falkenauge etc.)
    Am Morgen der Tauben wachte ich auf. Meine Gelenke waren heiß, das Hirn schmerzte. Ich blickte hinaus über das ausgeschlachtete Land, die verkohlten Stümpfe, den See, braun vor Schlamm. Vor langer Zeit hatte ich das Gefühl gehabt, wir wären eine Familie, aber das war schon eine Weile nicht mehr so. Ich hätte längst dort weggehen sollen, hätte aufbrechen sollen in die wahre Wildnis des Westens, denn ich hasste die Siedler und ihre Art, alles zu verschwenden. Ihrerseits wussten die Siedler nicht, wie sie mit mir umgehen sollten, einem weißen Jäger, der lebt wie ein Indianer, einem Mann jenseits seiner Jugend, wenngleich immer noch Furcht einflößend. Einmal warfen Jungen Steine nach mir und riefen: Alte Stinksocke, und obwohl ich sie mit meiner Büchse hätte aufs Korn nehmen können wie Krähen auf einem Ast, brummte ich ihnen nur verärgert etwas zu. Sie flitzten schnell genug davon und haben es nie wieder gemacht. Ich jedoch, ich hänge an diesem Land wie ein Schnapperfisch, dessen abgetrennter Kopf immer noch beißt, weil er nichts anderes zu tun weiß mit seinem dahinschwindenden Leben.
    Ich kochte Kaffee, wandte mich zu Sagamore in seiner roten Decke, und es überraschte mich nicht, als ich merkte, dass er genauso aussah, wie ich mich fühlte: müde bis ins Mark. Er stöhnte, als er aufstand, und schien sich dann dafür zu schämen. Doch ich wusste, was erempfand, und tat so, als hätte ich es nicht gehört. An einem Morgen wie diesem konnte ich mich kaum noch daran erinnern, dass auch wir einmal jung waren, dass ich erst elf gewesen war, als seine Familie mich damals aufnahm, nachdem ich von meiner eigenen weggelaufen war. Mein Vater war ein anglikanischer Prediger gewesen, bei Tage fromm und ein Teufel bei Nacht, der mich verprügelt hatte, bis ich es schließlich vorzog, in die dunklen Wälder zu gehen und gefressen zu werden. Halb verhungert stolperte ich eines Tages in ein Lager der Delawaren und fand eine bessere Familie. Sagamore wurde mein Blutsbruder, er nahm mich zum Jagen und Fischen mit, lehrte mich all die Dinge, an denen man Freude haben kann. Doch zu der Zeit, als Duke an den See kam, waren die meisten der Delawaren bereits tot, und das Letzte, was ich von meinem Vater hörte, war, dass er reich geworden war, Besitzer einer Kneipe, und dass er seiner Kirche einen Prediger aus England geholt hatte, den ganzen langen Weg von dort. So ging das im Leben, die Sanften sterben mutterseelenallein, während die Bösen es sich gut gehen lassen. Ein Gedanke, der mich schon mein ganzes Leben lang krank macht und es noch tun wird, bis ich dereinst sterbe.
    Während mein alter Freund hinaus zu den Kiefern ging, um sich zu erleichtern, schnippelte ich ein wenig Fleisch ab und warf es zum Kochen in den Kessel. Dann zündeten wir unsere Pfeifen an, spuckten. Während Sagamore und ich bei unserem

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