Die Monster von Templeton
Brücke hochranken. Im Laufschritt sind wir jetzt im August gelandet, obwohl es dieses Jahr nicht gut mit uns gemeint hat. Nach dem Tod des Ungeheuers ging der Sommer in die Brüche, wie Holz, das splittert. Wenn wir zusammen sind, dann bleiben wir beieinander, unsere alten Füße trappeln über das Pflaster von Templeton, unsere alten Herzen schlagen im Takt. Das nennt man Trost, unseren morgendlichen Lauf. Wenn wir im Cartwright Café unseren Kaffee getrunken haben, trennen wir uns, fahren unsere alten Knochen nach Hause, zu dem Kuddelmuddel, das wir aus unserem Leben gemacht haben.
Big Toms Junkietochter ist weg, durchgebrannt. Vor zwei Jahren war sie noch die unerschütterliche Vorsitzende des Debattierclubs, mit lilafarbener Brille und Grübchen, wenn sie lächelte. Wir wissen nicht, wo sie steckt, obwohl wir überall gesucht, Kontakt mit den Zeitungen aufgenommen und den ganzen Staat New York abgegrast haben. Allezusammen haben wir Flugblätter entworfen, doch das Mädchen auf dem Schwarz-Weiß-Foto, dieses liebe, unbedarfte Gesicht, das uns von den Blättern aus Toms Bürofotokopierer entgegenschaut, hat sich bestimmt verändert, da sind wir uns sicher.
Little Thoms Herz hat wieder aufbegehrt, und bei einer Führung durch das Krankenhaus musste er sich kurz entschuldigen und in einer Abstellkammer in die Hocke gehen. Er war blass und zittrig, als er wieder herauskam. Wir haben ihm gesagt, er solle besser nicht laufen, aber er schaut uns bloß an.
Ich werde laufen, bis ich sterbe,
sagte er, und wir lassen ihn laufen, weil wir auch laufen werden, bis wir sterben.
Johanns Tochter redet nicht mehr mit ihm, weil er irgendetwas getan hat, als er nach der Hochzeit des Clarke-Mädchens betrunken war. Johann hat seine Tochter in Memphis angerufen und in seinem verschliffenen deutschen Akzent zu ihr gesagt:
Liebes, nur damit du’s weißt, du hast mein Leben nicht ruiniert, nur weil du eine Lesbe bist. Ich dachte, es wäre so, aber du wirst drüber wegkommen, wirst heiraten und zur Ruhe kommen und Kinder kriegen. Nur damit du’s weißt: Ich werd dich immer lieb haben.
Maria und Josef!
sagten wir, als er uns das am nächsten Morgen bei unserem Lauf erzählte, und er schaute uns an, voller Kummer, verkatert, erschrocken.
Ist das denn so schlimm?,
fragte er. Er wusste es wirklich nicht.
Oh, Johann. Das ist es,
antworteten wir.
Sols dritte Frau, die Spinningtrainerin im Fitnessstudio, hat ihm die Scheidungspapiere zukommen lassen, ihr neuer Freund hat sie ihm auf seiner schnittigen Harley vorbeigebracht. Und der Grund?
Unfähigkeit, Kinder in der Ehe zu zeugen.
Drei Ehen, drei alternde Unterleibe, und jedes Mal ist das der Grund dafür, dass er sich jemand Neues suchen muss. Unter uns allen ist Sol der Einzige, der keine Kinder hat. Er wird still, wenn wir über unsere Sprösslinge reden, die alle auf dem College oder weiter sind, er ist sogar traurig, wenn BigThom von seiner Junkietochter spricht. Wir sehen, wie er blinzelt hinter seiner Sonnenbrille, wir spüren das Gewicht seines Schweigens. Wir haben das Gefühl, an diesem Punkt würde er sogar mit Big Thoms Drogentochter vorliebnehmen, würde alle Schwierigkeiten in den Wind schießen, weil er lieber ein Kind hätte, das ihn hasst, so wie Johanns Mädchen, als gar keins. Alles wäre ihm lieber als das, glauben wir.
Doug wird möglicherweise eine Gefängnisstrafe absitzen müssen, weil er seine überfälligen Steuern nicht bezahlt hat. Sol hat angeboten, ihm das Geld vorzustrecken (erst da wurde uns bewusst, wie reich er offenbar ist), aber Doug hat nur Hohn und Spott übrig. Er wird gegen sie ankämpfen, bis zum bitteren Ende, sagt er. Wessen Ende? Wollen wir sagen, aber wir tun es nicht. Er hat eine neue Freundin, über die seine Frau möglicherweise Bescheid weiß, eine siebzehnjährige Museumsführerin aus dem Wachsfigurenkabinett, die dafür bezahlt wird, mit ihren Monsterbrüsten Männer in das kühle, nach Wachs riechende Mausoleum zu locken, wo Mickey Mantle und Babe Ruth langsam zu schmelzen beginnen, sobald der Generator ausfällt. Wir machen uns mehr Sorgen als er, sowohl wegen des Knasts als auch wegen seiner minderjährigen Freundin. Er glaubt nicht, dass er ins Gefängnis muss. Er glaubt nicht, dass seine Frau über die Freundin Bescheid weiß. Wir sind bei beidem vom Gegenteil überzeugt, und es macht uns Angst.
Und dann hat Frank nach dem Tod seiner Eltern auch noch zwanzig Pfund abgenommen, und die Haut hängt lose an ihm herunter und ist ganz
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