Die Moralisten
rasch.
»Dieser Geldschacherer«, sagte Cesare verächtlich. »Dem gehört jetzt alles.«
Matteo blickte ihm scharf in die Augen. »Solange er noch lebt, ja.«
»Leute von seinem Schlag sind sogar zum Sterben zu geizig«, entgegnete Cesare bitter.
Matteo lächelte. »In Amerika haben wir eine treffende Bezeichnung für solche Männer - Shylocks nennen wir die. Ein wirklich passender Name.« Als sei diese kleine Nebenbemerkung gar nicht gefallen, fuhr Matteo fort: »Ihr Onkel steht allein, er hat keine Familie und, außer Ihnen, keine Verwandten. Und besitzt eine Bank mit zweihundert Millionen Lire.« Cesare sah ihn an und erkannte in dem älteren Mann einen Gleichgesinnten. »Darüber habe ich schon oft nachgedacht«, bemerkte er vieldeutig.
Matteo schüttelte ernst den Kopf. »Wenn er stürbe - sagen wir zum Beispiel, während Sie beim Fechtturnier sind, hundertfünzig Kilometer von hier entfernt -, dann bekämen Sie Ihren Reichtum zurück.«
Eine Sekunde blickte Cesare ihn wieder an, dann sprang er auf. »Gio!« rief er. »Bring die Flasche alten Napoleon. Wir gehen in die Bibliothek.«
Als Gio die Tür hinter sich geschlossen hatte und sie allein vor dem lodernden Feuer standen, fragte Cesare unumwunden: »Weshalb sind Sie hier?«
Matteo ergriff lächelnd sein Kognakglas. »Ich hatte von Ihnen gehört, Major.«
»Und was hörten Sie?«
»Sie erinnern sich gewiß noch an die Kriegsphase kurz vor der Landung der Alliierten auf Sizilien?« Matteo wartete Cesares Antwort nicht ab, sondern sprach schnell weiter. »Einer meiner Partner, der zur Zeit in Neapel ist, und ich - wir hatten den Amerikanern eine Liste von Personen gegeben, mit denen sie sich zur Vorbereitung der Invasion in Verbindung setzen sollten. Diese Leute gehörten zu einer schon lange vor dem Kriege, sogar schon vor dem Ersten Weltkrieg, bestehenden Organisation. Zu den Mafiosos.«
Cesare schwieg.
»Ich erfuhr damals, daß Sie einer der Offiziere waren, die das italienische Oberkommando zur Zusammenarbeit mit dem militärischen Geheimdienst bestimmt hatte. Ihr Auftrag lautete: Verbindung mit neun Männern aufzunehmen und sie zur Mitarbeit zu gewinnen. Fünf von diesen knallten Sie nieder.«
»Weil sie nicht mitmachen wollten«, warf Cesare kurz ein. »Das war in meinem Bericht erklärt.«
Matteo lächelte. »Die offizielle Erklärung kümmert mich nicht. Ich habe selbst so viele abgegeben, daß ich ihrem Wahrheitsgehalt nicht traue. Aber wir beide wissen es besser. Die offiziellen Auftraggeber haben nämlich die Leichen der von Ihnen getöteten Männer gar nicht zu Gesicht bekommen. Meine Freunde jedoch sahen sie.« Er ließ sich in einen Sessel nieder und stellte sein Glas ab. »Und deshalb verstehe ich das mit Ihrem Onkel nicht, mein Freund. Wenn Ihnen das Töten so leicht und geradezu mit Vergnügen von der Hand geht - wie konnten Sie dann ihn am Leben lassen?« Cesare sah ihn ruhig an. »Damals war die Situation anders. Wir hatten Krieg.«
Wieder lächelte Matteo. »Der Krieg soll das natürlich entschuldigen. Na gut. Aber es gab ja auch sonst noch Tote. Den Soldaten unten im Dorf; den jungen Engländer, den Sie in Ihrem letzten Schuljahr drüben mit Ihrem Auto von der Straße abdrängten; die deutsche Geliebte Ihres Kommandeurs in Rom.« Er sah Cesare wieder aufmerksam an. »Sie sehen, ich habe viel bessere Informationsquellen als die militärischen Dienststellen und die Behörden.«
Cesare setzte sich in den Sessel ihm gegenüber, nippte an seinem Kognak und erwiderte lächelnd: »Also sind Sie informiert. Aber das nützt Ihnen nichts. Was können Sie schon damit anfangen?«
Matteo hob die Schultern. »Ich habe gar nicht die Absicht, damit etwas anzufangen. Ich erwähnte es nur, um Ihnen klarzumachen, daß ich Interesse an Ihnen habe. Wir können uns nämlich gegenseitig sehr behilflich sein.«
»So?«
»Aus gewissen Gründen mußte ich in mein Geburtsland zurückkehren, aber im Herzen bin ich Amerikaner, nicht Italiener. Auch in meinen geschäftlichen Interessen. Leider darf ich für eine Weile nicht mehr nach Amerika. Das heißt, auf legalem Wege nicht. Natürlich kann ich für kurze Zeit hinkommen, aber das ist sehr riskant, und allzulange da bleiben kann ich nie. Ich sehe auch den Zeitpunkt nahen, an dem ich dort einen Verbündeten brauche, einen Mann wie Sie. Einen, den kein Mensch mit mir in Verbindung bringen wird, der mir aber helfen kann, sobald das nötig ist.«
»Können das denn Ihre Partner nicht, Ihre Freunde in
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