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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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daß es ihr gelungen war, Marja mit in die Messe zu nehmen.
    Die Kirchenbesucher gingen hinaus, und Kam drängte an Marja vorbei zum Gang. Sie warf einen Blick in das Gesicht des jungen Mannes, als sie ihn streifte. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Es war aber auch sehr warm in der Kirche.
    Marja folgte ein paar Schritte hinter ihr. Sie wandte sich um und wartete auf sie. Marjas Augen lachten, als sie den Arm ihrer Mutter ergriff.
    Katti sah ihre Tochter aufmerksam an. Es war lange her, daß sie Marja so glücklich gesehen hatte. Katti beschloß, bis zum Abend nichts über das neue Baby zu sagen.
    Sie wollte alles vermeiden, was dieses glückliche Lächeln auf Marjas Gesicht hätte auslöschen können.
    11
    Er schloß die Fahrstuhltür und setzte sich auf die schmale Bank im Gang. Er nahm sein Mathematikbuch und schlug es auf. An diesem Nachmittag war er nicht so müde, wie er erwartet hatte. Er hatte, nachdem er aus der Kirche gekommen war, noch ein paar Stunden geschlafen.
    Langsam drehte er die Seite herum. Er hatte nichts dagegen, am Sonntagnachmittag den Fahrstuhldienst zu versehen. Im Haus war es dann ziemlich still, und er konnte in seiner Arbeit einiges nachholen. Er hörte Schritte auf den Fahrstuhl zugehen. Da er gern noch den letzten Teil seiner Aufgabe gelöst hätte, blickte er nicht auf. Vom Fahrstuhl her vernahm er eine leise Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam. »Sogar heute, Mike?«
    Überrascht ließ er das Buch sinken.
    Sie stand im Fahrstuhl und lächelte ihn an. Ihr hellblondes Haar schimmerte im Licht fast golden. »Laß dir nur Zeit«, sagte sie.
    Schwerfällig erhob er sich und wurde sich einer jähen inneren Erregung bewußt. Er trat in den Fahrstuhl und löste die Sperre der Tür aus. Die Tür glitt zu. Er sah sie an. »Woher kennst du meinen Namen?« fragte er.
    Sie antwortete ihm nicht. Ihre Augen blickten fest in die seinen. Ihre Lippen öffneten sich in einer Art Lächeln und entblößten ihre gleichmäßigen weißen Zähne.
    Unfähig, die Herausforderung ihres Blickes zu ertragen, wandte er sich von ihr ab. Er fühlte, wie die Röte in seine Wangen stieg. »Welches Stockwerk, bitte?« fragte er mürrisch, drückte den Hebel nieder und setzte den Fahrstuhl in Gang.
    »Zwölftes«, antwortete sie.
    Da wurde ihm alles klar. Er drehte sich um und sah sie an. »Du bist doch Ross’ Freundin.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Sie sagte nichts.
    Er ließ den Fahrstuhl zwischen zwei Stockwerken anhalten und wandte sich von der Schalttafel ab. »Du bist doch Ross’ Freundin?« wiederholte er.
    »Bin ich das?« fragte sie herausfordernd. »Du mußt es ja wissen. Du bist doch ein Fachmann für Weiber. Kennt man erst eine, dann kennt man alle.«
    Wieder errötete er. Sie hatte also seine Worte gehört. Kein Wunder, daß sie sich ihm gegenüber so benahm. Er blickte zu Boden. »Es tut mir leid«, sagte er.
    Sie antwortete ihm nicht.
    Er sah sie an. »Ich habe gesagt: Es tut mir leid.«
    Ihr Blick war noch immer kühl und abweisend. »Ich habe es gehört.« Er begann sich zu ärgern. »Zumindest könntest du etwas sagen.«
    Sie lächelte. »Großartig!« Ihre Augen starrten in die seinen. »Was erwartest du denn - etwa Beifall?«
    Er lehnte sich an die Wand des Fahrstuhls. Er wußte, wie man mit solchen Damen umsprang. Er sah sie prüfend von Kopf bis Fuß an. Das war ihnen immer unangenehm. Keine von ihnen hatte es gern.
    Sie sagte kein Wort, und als seine Blicke zu ihrem Gesicht zurückkehrten, entdeckte er nicht die geringste Spur von Verlegenheit.
    »Ross hat recht«, erklärte er schneidend, »du bist dafür geschaffen.« Ihre Augen waren voller Selbstsicherheit. »Danke«, erwiderte sie kurz, »ich hatte es nötig, daß du es mir sagst. Ich fing schon an, mir Sorgen zu machen.«
    Er war seiner selbst nun sicher. Sie war weiter nichts als ein kleines, billiges, verspieltes Flittchen. Er streckte seine Hand aus und zog sie an sich.
    Sie lächelte und näherte sich ihm bereitwillig. Er blickte in ihr Gesicht. Ihre Augen funkelten. Er beugte sich über sie, um sie zu küssen.
    Er fühlte ihre Handbewegung hinter seinem Rücken, und plötzlich sackte der Fahrstuhl nach unten. Für den Bruchteil einer Sekunde stand er wie gelähmt. Dann wirbelte er mit einem unterdrückten Fluch herum und griff blitzschnell nach dem Hebel.
    Er drückte ihn auf »Bremsen« und »Halt« und hoffte, daß er greifen würde. Sie hatte den Hebel auf »Schnelle

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