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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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kochte Kaffee. Er trug alles ins Wohnzimmer, und sie aßen auf der Couch, während das Radio spielte und eine kleine Lampe in der Ecke des Zimmers brannte.
    Als sie fertig waren, lehnte sie sich in die Kissen zurück und stieß einen Seufzer der Zufriedenheit aus. »Ich war hungrig«, sagte sie.
    Er lächelte und zündete sich eine Zigarette an.
    »Gib sie mir«, bat sie und streckte die Hand aus.
    Er reichte sie ihr. Sie steckte sie zwischen die Lippen und tat einen tiefen Zug, schloß dann die Augen und ließ den Rauch langsam zwischen ihren Lippen entweichen. »Du ahnst nicht, wie glücklich du bist.«
    Er war überrascht. »Wieso?«
    Sie öffnete die Augen und sah ihn an. »Du solltest mal unsere Wohnung sehen«, erklärte sie. »Dann wüßtest du, was ich meine. Hier ist alles so still. Kein Lärm von der Straße herauf - ihr wohnt so hoch oben. Kein Gestank aus dem Hof. Von den Nachbarn nichts zu hören.«
    Er antwortete ihr nicht, denn er wußte nicht, was er hätte sagen sollen. Er nahm die leere Platte und trug sie in die Küche hinaus. Als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, lag sie ganz still auf der Couch. Ihre Augen waren geschlossen.
    »Marja«, flüsterte er.
    Sie antwortete nicht. Ihre Brust hob und senkte sich in ruhigem Atmen.
    Als er sich neben sie auf die Couch setzte, schlug sie die Augen auf. »Ich bin eingeschlafen«, sagte sie.
    »Das habe ich gesehen.« Er lächelte.
    »Wie spät ist es?« fragte sie.
    »Fast zehn Uhr.«
    Sie richtete sich jäh auf. »Ich muß gehen.«
    Er umklammerte ihre Schultern. »Marja«, sagte er, »ich bin verrückt nach dir.«
    Sie begegnete ruhig seinem Blick und nickte.
    »Magst du mich?« fragte er.
    Sie war aufgestanden und sah ihn an. Sein Gesicht war blaß und flehend. »Du bist der netteste Kerl, den ich kenne«, antwortete sie. »Natürlich mag ich dich.«
    Zornig erhob er sich. »Das habe ich nicht gemeint!« Er riß sie heftig an sich und küßte sie. »Ich will dich«, stieß er hervor. »Du weißt es, du kannst es fühlen. Bist du nicht auch nach mir verrückt?«
    Ganz still stand sie da und blickte ihm in die Augen. Als sie dann sprach, klang ihre Stimme sanft. »Selbst wenn es so ist, kann ich’s nicht ändern. Ich bin ein Mädchen, und wenn ich nachgebe, gibt’s nur Schwierigkeiten. Das mag ich nicht.«
    »Aber ...«
    Sie unterbrach ihn. »Nein.« Sie drückte ihre Wange an sein Gesicht und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich tu alles, was du willst, um dich glücklich zu machen, Ross, nur das eine nicht!«
    Er sah sie an. »Alles?«
    »Alles«, antwortete sie.
    Wieder zog er sie an sich, und sie sanken auf die Couch zurück.
    »Los! Mach ein bißchen Dampf dahinter, Mike! Die Times kommt!« Riordans Stimme klang rauh von all den Jahren, in denen er Zeitungen ausgerufen hatte.
    Mike sprang von der kleinen Bank auf und lief über den Bürgersteig. Der Lastwagen der Times fuhr gerade an den Randstein. Automatisch warf Mike einen Blick auf die Uhr im Schaufenster gegenüber. Zehn Uhr dreißig. Gerade Zeit genug, um die Zeitungen für den Ansturm zurechtzulegen, der kurz nach elf Uhr einsetzte, wenn die Vorstellung im Theater in der 86. Straße zu Ende war.
    Der Auslieferer stieg über einen Stoß Zeitungen. »Heute ist der Teufel los. Zwölf Beilagen«, brummte er.
    Mike antwortete nicht. Ihm war es gleichgültig. Jede Woche wurden die Zeitungen dicker. Er hob ein Bündel auf die Schulter, trug es hinter den Zeitungsstand und ließ es dort fallen. Es schlug dumpf auf dem Trottoir auf. Dann kehrte er zum Wagen zurück.
    Als er mit dem zweiten Bündel zurückkam, schnitt Riordans magere, knochige Frau bereits den Draht mit einer Zange auf. »Beeil dich, Mike«, rief sie nervös und sah ihren Mann am Zeitungsstand an. »Wir haben nicht viel Zeit.«
    Der Schweiß begann sein Hemd zu durchnässen. Er zog es aus und hängte es an einen Nagel. Die Muskeln seines Oberkörpers schimmerten im elektrischen Licht. Die Beilagen waren nun ausgebreitet. Rasch begann er sie zusammenzulegen und zu einem ordentlichen Haufen aufzuschichten.
    Andere Zeitungen wurden geliefert, und die Nacht begann ihren rasenden Lauf. Erst nach ein Uhr konnte er sich ein paar Minuten Ruhe gönnen. Er stieg auf einen Berg von Zeitungen und zündete sich eine Zigarette an. Genießerisch schloß er die Augen. Er war müde.
    Den ganzen Nachmittag hindurch hatte er im Haus den Fahrstuhl bedient. Der Fahrstuhlführer der Tagschicht war erkrankt. Es war durchaus möglich, daß er auch am nächsten Tag

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