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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einspringen mußte. »Hallo, Mike.«
    Er öffnete die Augen. Vor ihm stand Ross und lächelte. Auch über Mikes Gesicht breitete sich ein träges Lächeln aus. »Ich habe
    gedacht, du bist mit deiner Familie weggefahren«, sagte er.
    Ross schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte einiges zu erledigen.« »Was denn?« fragte Mike skeptisch.
    Ross machte ein Zeichen zum Wagen hin. »Zum Beispiel mit dieser kleinen Blonden da.«
    Mike blickte zum Wagen hinüber, aber das Gesicht des Mädchens befand sich im Schatten, so daß er es nicht erkennen konnte. Wieder sah er Ross an. »Ich hätte mir doch denken können, daß es sich um ein Weibsstück handelt.«
    Ross stieg die Röte ins Gesicht. »Das darfst du nicht sagen, Mike.« In seiner Stimme lag ein leiser Vorwurf. »Du kennst das Mädchen ja nicht einmal.«
    Mike sah ihn verwundert an. Ross mußte es schwer getroffen haben. Niemals zuvor hatte er so reagiert. Wieder versuchte er, das Mädchen zu sehen, aber das Licht war zu trübe.
    »Komm mit zum Wagen«, forderte Ross ihn auf. »Ich stelle sie dir vor.«
    Ein seltsamer Widerwille erwachte in Mike, und er schüttelte den Kopf. »Wozu?« fragte er mit unnötig lauter Stimme. »Die Weiber sind alle gleich. Kennt man erst eine, dann kennt man alle.« Er warf seinen Zigarettenstummel weg. Funkensprühend fiel er vor den Wagen. Dann stieg er von dem Zeitungshaufen herunter. »Willst du deine Zeitungen haben, Ross?« fragte er. Ross nickte, sagte aber kein Wort.
    Mike beugte sich nieder und zog einen Stoß hervor, den er Ross reichte. Ross ließ ein paar Münzen in seine Hand fallen und nahm die Zeitungen.
    Um den Zeitungsstand herum war nun Riordans Stimme zu vernehmen. »Bring ein paar Americans her, Mike, sie werden knapp.«
    Automatisch beugte sich Mike nieder, um einen Stoß Zeitungen aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, hatte Ross bereits die Hälfte des Weges zum Wagen zurückgelegt. Er blickte ihm nach. Es gab Leute, denen fiel einfach alles in den Schoß. Sie hatten keine Sorgen. Er hob den Stoß Zeitungen auf die Schulter und ging um den Zeitungsstand herum.
    Ross stieg in den Wagen und neigte sich vor, um auf den Startknopf zu drücken. Der Motor sprang an, und er fuhr auf die Straße hinaus. »Dein Freund mag mich nicht«, sagte Marja.
    Er sah sie an. »Wie kommst du darauf?« fragte er abwehrend. »Er kennt dich nicht einmal.«
    »Ich habe gehört, was er sagte.«
    »Er ist nur müde«, erklärte Ross. »Im allgemeinen ist er nicht so.«
    Sie fuhren eine Weile schweigend weiter. Dann begann Marja wieder zu sprechen. »War das Mike? Derselbe, der nicht mit uns nach Coney Island fahren wollte?«
    »Ja«, antwortete er.
    Sie mußte daran denken, wie Mike dort beim Zeitungsstand gesessen hatte. Der Schweiß glänzte in einem öligen Schimmer auf seinen Armen, und die Muskeln seines Rückens und seiner Arme waren wie stählerne Stränge. »Er hält sich wohl für was Besonderes, was?« fragte sie spöttisch. »Zu gut für uns andere?« Ross war klug genug, darauf nicht zu antworten. Er hielt es für besser, sich nicht auf eine sinnlose Streiterei einzulassen. Außerdem war es ihm gleichgültig, was sie voneinander dachten. Ihre Stimme klang nachdenklich. »Vielleicht werde ich’s ihm eines Tages noch mal zeigen.«
    Als Ross dies hörte, sah er Marja überrascht an. in ihren Augen lag ein Ausdruck, als sei sie tief verletzt. Plötzlich war es ihm klar: sie schlug sich noch immer mit dem herum, was Mike gesagt hatte.
    Katti strebte wie gewöhnlich den ersten Bankreihen in der Kirche zu, aber Marja ergriff ihren Arm.
    »Da ist kein Platz mehr, Mama«, flüsterte sie. »Setzen wir uns doch dorthin.«
    Katti drängte sich in die Bank, zu der Marja sie geführt hatte. Sie dachte nur an das, was Pater Janowicz zu ihr gesagt hatte. Sie sollte es Marja so bald wie möglich sagen. Es sei das einzige, um dieser Sorge ein Ende zu setzen.
    In der Bank stand ein junger Mann. Katti murmelte eine Entschuldigung, als sie sich an ihm vorbeidrängte. Schwerfällig ließ sie sich nieder und senkte den Kopf, als die Messe begann.
    Sie schloß die Augen und betete inbrünstig zu Gott, er solle alles in die rechten Wege leiten. Marja möge verstehen. Für Peter bat sie um eine Arbeit. Sie betete für alle, nur nicht für sich. Als die Messe vorbei war, fühlte sie sich wohler. Sie sah Marja an.
    Das Gesicht des Mädchens war leicht gerötet, ein Anflug von Zufriedenheit lag in dem Lächeln, das ihren Mund umspielte. Sie war froh,

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