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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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spöttisch erklärte: »Soviel Handlung, daß die Polizei all dem ein Ende setzte und gegen alle Anzeige wegen unzüchtiger Handlungen erstattete. Die Folge davon war, daß Sie und der Professor ihrer Stellungen in der Schule enthoben wurden. Trifft das zu?«
    Sie antwortete nicht. Sie biß sich auf die Unterlippe. Vito brüllte sie jetzt an. »Besinnen Sie sich, Miß Marnay. Beantworten Sie meine Frage.«
    Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen; nur die Schminke hob sich in einer dunkleren Tönung auf ihren Wangen ab. Sie blickte zu Boden, und ihre Stimme war zu einem fast unhörbaren Geflüster abgesunken. »Ja.«
    »Das wäre alles, Miß Marnay.« Vito sah die Geschworenen an, als wollte er sagen: Wie können Sie irgend etwas von dem glauben, was ein solches Mädchen sagt? Er zuckte leicht die Achseln und kehrte zu seinem Tisch zurück.
    Joel und Alec beugten sich zu mir vor, als ich die nächste Zeugin aufrief. Ich hörte ihr rauhes Flüstern an meinen Ohren.
    »Vito hat ihr gewaltig die Hölle heiß gemacht«, sagte Joel.
    »Kann man wohl sagen«, meinte Alec, während seine Blicke dem Mädchen folgten, das sich wieder hinsetzte. »Er hat sie richtig zerrissen.«
    Ich atmete tief ein. »Ihr beiden vergeßt nur eins. Er hat wohl sie zerrissen, aber nicht ihren Bericht über die Flood. Habt ihr nicht bemerkt, daß er den völlig aus dem Spiel ließ?«
    Joel nickte. »Aber er weiß, was er tut. Er versucht, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben.«
    »Das wird ihm nicht viel nützen«, antwortete ich. »Das Ergebnis wird durch die Tatsachen bestimmt, die sich unmittelbar auf den Fall beziehen. Und das weiß er.«
    »Trotzdem würde ich vorsichtig sein, Mike«, flüsterte Alec. »Der hat immer einen ganzen Sack voller Überraschungen.«
    Der Gerichtsschreiber nahm einem anderen Mädchen den Eid ab; die zweite Zeugin der Staatsanwaltschaft. Ich erhob mich langsam. »Er wird bestimmt etwas Besseres als die Wahrheit finden müssen, wenn er die Absicht hat, mit der da zu Rande zu kommen«, erklärte ich, als der Gerichtsschreiber mir zunickte. Ich trat um meinen Tisch herum und ging zum Zeugenstand hinüber.
    Das Zimmer im Krankenhaus war dunkel und still, als ich eintrat. Ich hörte den Alten atmen. Er atmete langsam und gelöst. Eine Krankenschwester hielt die Finger an die Lippen. »Er schläft.«
    Ich nickte und wollte das Zimmer wieder verlassen.
    »Wer schläft hier?« Die Stimme des Alten klang in der Stille besonders laut und kräftig. »Sind Sie das, Mike?«
    Wieder trat ich vor. »Ja, Sir.«
    »Kommen Sie näher und reden Sie etwas lauter«, rief er gereizt. »Ich kann Sie nicht hören.«
    Ich trat ans Kopfende des Bettes. Er blickte zu mir auf, und der Anflug eines Lächelns lag auf seinen Lippen. »Wie ist es Ihnen heute ergangen, Herr Staatsanwalt?«
    »Befriedigend«, erwiderte ich. »Wir haben die ersten vier Zeuginnen vernommen. Vito konnte an ihren Aussagen sachlich nichts aussetzen. So hat er sich darauf beschränkt, auf die Leute selber loszugehen. Ich glaube, im großen und ganzen haben wir nicht schlecht abgeschnitten.«
    »Ich weiß«, sagte der Alte. »Ich habe schon gehört.«
    Ich warf einen Blick auf das Telefon neben dem Bett.
    »Aber eins macht mir trotz allem Sorge«, erklärte er. »Ich sehe noch immer nicht klar, welche Strategie Vito verfolgt. Im Augenblick hat man den Eindruck, als wollte er die Angeklagte den Raubtieren vorwerfen.«
    Ich antwortete nicht. Mich erfüllte ein seltsam bedrückendes Gefühl. »Man hat fast den Eindruck, als wäre es ihm völlig gleichgültig, was aus seiner Mandantin wird. Er läßt mir so gut wie alles durchgehen.« »Wie sah die Flood aus?« fragte der Alte und beobachtete mich dabei genau.
    »Sie wirkte ganz unbeschwert.«
    »Mike«, fuhr er fort, »jetzt reden Sie mit mir.«
    »Sie sieht gut aus«, sagte ich. »Wirklich gut.«
    »Haben Sie ihr gegenüber noch immer die gleichen Gefühle?
    Auch jetzt noch?«
    »Ich ... ich weiß es nicht, John«, antwortete ich. »Ich weiß nur, daß ich fast ersticke, wenn ich sie ansehe.«
    Er nickte bedächtig. »Ich weiß, was Sie damit sagen wollen, Mike. Ich habe ein paarmal mit ihr gesprochen. Sie ist eine starke Persönlichkeit und tapfer, mein Junge. Es hätte eine große Frau aus ihr werden können, wenn sie einen anderen Weg eingeschlagen hätte.«
    »Vielleicht hat sie dazu niemals Gelegenheit gehabt, Sir«, erwiderte ich.
    Seine Augen sahen aus, als wüßte er mehr. »Sie hatte ihre Gelegenheit, Mike. Ganz

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