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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihrem Büro kam und mich sah.«
    »Sie meinen die Miß Flood, die hier im Gerichtssaal ist?«
    Sie nickte. »Ja.«
    »Was ist dann geschehen?«
    »Als Miß Flood mich sah, schnipste sie mit den Fingern und meinte, ich sei genau das Mädchen, das sie suche. Sie schickte mich in ein Pelzgeschäft in der 14. Straße. Es war das erste Mal, daß ich als Mannequin arbeitete. Ich trug einen Pelzmantel und ging in einem Schaufenster auf und ab, damit ihn die Leute dort sehen konnten.«
    In ihrer Stimme lag ein Anflug von Stolz.
    »Ich war ihr Lieblingsmannequin. Ich bin sehr groß, verstehen Sie, und die Leute konnten mich schon von weitem sehen. Seitdem habe ich mindestens drei Tage in der Woche dort gearbeitet.«
    »Haben Sie sonst noch als Modell gearbeitet?« fragte ich.
    Sie zögerte einen Augenblick. »Das war die einzige Stelle, die ich hatte.«
    Ich nickte. »Wieviel hat man Ihnen dort gezahlt?«
    »Zehn Dollar am Tag«, antwortete sie.
    »Das waren also dreißig Dollar in der Woche«, fuhr ich fort. »Reichte das zum Leben?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Allein mein Unterricht in der Schauspielschule kostete jede Woche mehr als das.«
    »Wie haben Sie sich zusätzlich etwas verdient?«
    »Ich hatte viele Verabredungen.«
    »Verabredungen?« fragte ich.
    Sie nickte. »So haben wir es genannt.«
    »Wen meinen Sie mit >wir    »Die Mädchen, die ich so kannte.«
    »Wie kamen Sie zu diesen ... Verabredungen, wie Sie es nennen?« »Es fing an, nachdem ich ein paar Wochen als Mannequin gearbeitet hatte. Ich hatte Miß Flood um etwas zusätzliche Arbeit gebeten, und sie ließ mich in ihr Büro kommen. Sie sagte, das Leben eines Modells sei oft sehr schwierig, aber es gäbe da Kunden, die sie manchmal anriefen und sie bäten, ihnen ein paar Mädchen zu empfehlen, mit denen sie ausgehen könnten. Sie sagte, diese Männer wären sehr großzügig und gäben den Mädchen immer ein gutes Trinkgeld dafür, daß sie ihnen Gesellschaft leisteten. Sie fragte mich, ob mich das interessiere.«
    »Was haben Sie ihr geantwortet?«
    »Ich sei interessiert.«
    Wieder stieg Gelächter im Gerichtssaal auf. Ich konnte es den Leuten nicht übelnehmen. »Was haben Sie dann getan?«
    »Miß Flood hat für diesen Abend eine Verabredung für mich arrangiert. Es war ein netter Mann. Er ging mit mir essen und dann zu ein paar Drinks in seine Wohnung hinauf. Er war sehr amüsant. Als ich wegging, gab er mir zehn Dollar. Er sagte, weil ich so nett zu ihm gewesen sei, und ich sollte Miß Flood ausrichten, er sei sehr zufrieden.«
    »War das alles, was Sie taten?« fragte ich. »Nur etwas getrunken?« Ihr Gesicht änderte ein wenig die Farbe. Sie schien zu erröten. »Wir hatten zwei Partys.« Es war fast geflüstert.
    »Partys?« Ich blickte die Geschworenen an. »Was meinen Sie mit Partys?«
    »Verkehr.« Sie redete noch immer mit dieser leisen, kaum hörbaren
    Stimme.
    »Sie wollen damit sagen, Sie haben mit diesem Mann zweimal geschlechtlichen Verkehr gehabt?«
    Sie nickte. »Ja. Das wollte ich damit sagen.«
    »Waren Sie nicht überrascht, daß der Mann das wollte? Daß er das offenbar für selbstverständlich hielt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. In Chillicothe waren die Männer auch nicht anders. Sie wollen alle das gleiche.«
    Das Lachen dröhnte gegen die Wände des Gerichtssaals. Der Richter klopfte mit seinem Hammer, und es wurde wieder still. »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich bin nach Hause gegangen, um zu schlafen. Ich war müde.« Das Gelächter hätte fast den Gerichtssaal gesprengt. Sogar ich mußte mir alle Mühe geben, um einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren. Schließlich konnte ich wieder sprechen. »Ich meine, was passierte, als Sie das nächstemal zur Agentur gingen.«
    »Das war am Tag darauf. Ich ging hin, um Miß Flood zu danken, weil sie so nett zu mir gewesen war. Sie fragte mich, ob ich mich gut amüsiert hätte und bereit sei, auch weitere Verabredungen zu treffen. Ich sagte, das würde ich tun, wenn alle Herren so nett wären wie dieser. Sie versicherte mir, sie kenne nur nette Männer. Dann fragte sie mich, wieviel Partys wir gehabt hätten. Ich sagte es ihr, und sie nahm etwas Geld aus ihrem Schreibtisch und gab es mir. Ich wollte es nicht nehmen und erklärte ihr, der Herr hätte mir schon zehn Dollar gegeben. Da lachte sie und sagte, das sei doch nur mein Trinkgeld, und drückte mir das Geld in die Hand.«
    »Wieviel war es?«
    »Fünfzig Dollar«, flüsterte sie.
    »War Ihnen klar, was das

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