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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gebäude aus grünem Spiegelglas lag im Schatten gewaltiger Zypressen. Dennoch trugen die bewaffneten und uniformierten Wächter vor dem Eingang grünspiegelnde Sonnenbrillen, so daß sie wie Roboter aussahen. Auf der Bronzeplatte neben den smaragdgrünen Türen stand:
    CRANE RESEARCH NUCLEAR MEDICINE
    Eintritt verboten Doc Sawyer sprang aus seinem Kabriolett, lief die Stufen zum Eingang hinauf, nickte den beiden Wachtposten zu und legte die rechte Hand auf die lichtempfindliche Platte neben der Tür Sofort erschien sein Name in Leuchtbuchstaben über der Platte, und die Türflügel glitten zur Seite. Die Eingangshalle war vollkommen leer. Nur in der Mitte des Raumes, zwischen den beiden Aufzügen, saß ein weiterer Wachtposten hinter einem Pult mit Fernsehmonitoren. »Frau Dr. Zabiski wartet in ihrem Büro auf Sie, Herr Doktor.«
    Vielen Dank.« Doc Sawyer begab sich zum Aufzug. Die Türen schlössen sich rasch hinter ihm. Langsam ging es nach unten. Auf der Anzeigetafel gab es zehn Stockwerke, aber nur das oberste befand sich über der Erde, die übrigen neun Geschosse lagen unter der Erde.
    Doc Sawyer trat aus dem Aufzug, vor dem wieder ein Wachtposten stand, nickte kurz und ging dann eilig über den Flur bis zu Dr. Zabiskis Büro. Er stieß die Tür auf, ohne anzuklopfen.
    Die Ärztin saß hinter ihrem Schreibtisch. »Ich bin so schnell wie möglich gekommen. Ist etwas schiefgegan-
    gen?« fragte Doc Sawyer nervös. »Nein«, beruhigte ihn die kleine Ärztin. »Wir haben ihn auf die Intensivstation gebracht. Ich dachte nur, Sie möchten vielleicht dabeisein, wenn wir ihn wecken.« Doc Sawyer setzte sich erleichtert in einen Sessel. »Mein Gott«, stöhnte er und zerrte ein Päckchen Zigaretten aus seiner Jacke, »das ist alles ein Wahnsinn.« Er begann hektisch zu rauchen. »Seit drei Jahren komme ich mir wie Doktor Frankenstein vor.«
    »In jedem Arzt steckt ein kleiner Frankenstein«, lächelte Dr. Zabiski. »Glauben Sie nicht, daß jeder von uns gern ein bißchen >lieber Gott< spielen möchte?«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, erwiderte Sawyer. Seine Zigarette verbreitete einen beizenden Gestank.
    »Aber wir wissen ja zum Glück, wer der liebe Gott ist, nicht wahr?« Sie lachte. Aber es war kein fröhliches Lachen. »Judd Crane?«
    Er nickte. »Er muß es wohl sein. Das alles hier kann sich doch sonst keiner leisten.«
    Dr. Zabiskis bernsteingelbe Katzenaugen verengten sich für einen Moment. »Stimmt. Als er von zwanzig Millionen Dollar sprach und später von fünfzig, habe ich ihm zunächst nicht geglaubt. Ich dachte, soviel Geld gibt es auf der ganzen Welt nicht. Dann habe ich seine Augen gesehen. Da habe ich es geglaubt.
    Nicht das Geld, aber der Mann hat mich überzeugt. Er ist fest entschlossen, alles Wissen der Welt auf einen Punkt zu konzentrieren: auf das ewige Leben.« Doc Sawyer drückte seine Zigarette aus. »Und Sie?«
    fragte er. »Was ist Ihr Traum?«
    Nachdenklich starrte sie auf den glimmenden Stummel in ih rem Aschbecher. »Ich möchte gern Teil seines Traums sein.« Sie seufzte resigniert. »Aber ich weiß
    nicht , ob sich dieser Traum auch verwirklichen läßt.
    Vielleicht sind Wissenschaft und Forschung dazu gar nicht in der Lage.« Ihre Blicke kreuzten sich. »Ich glaube, wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir genausowenig gottähnlich sind wie er. Wir sind alle nur Menschen.«
    Doc Sawyer nickte zustimmend. »Frau Dr. Zabiski, ich glaube, ich fange an, Sie zu mögen.« Sie lächelte.
    »Vielen Dank, Dr. Sawyer.« Sie schlug jetzt ganz • bewußt einen anderen Ton an. »Kommen Sie. Wir sehen mal nach unserem Patienten.«
    Sie drückte auf die Tastatur ihres Computerterminals, und eine Fülle von farbigen Zahlen huschte über den Bildschirm. Doc Sawyer stand auf und stellte sich neben die Ärztin. »Das müssen Sie mir erklären, Frau Dr. Zabiski, ich kenne den Code nicht.«
    »Oh, Entschuldigung. Ich dachte, man hätte Sie informiert. Nun, es ist ein einfacher Farbschlüssel. Die weißen Zahlen zeigen das jeweilige Optimum, das wir anstreben, der Rest der Farben den Index der Veränderung in Prozent. Alle Lebensfunktionen werden ständig überwacht. Im Moment beschäftigen wir uns vor allem mit Mr. Cranes Körpertemperatur. Unser Ziel besteht darin, seine durchschnittliche Körpertemperatur bei 35° Celsius zu fixieren. Wir sind jetzt in der dritten Behandlungsphase. Bei der ersten vor zweieinhalb Jahren konnten wir seine Temperatur von durchschnittlich 36,8° auf 36,4°

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