Die Moralisten
senken, und bei der zweiten auf 36,1°. Jedesmal haben wir die Temperaturen ein Jahr lang stabil gehalten, bevor wir uns an den nächsten Schritt herangewagt haben.« »Wenn ich mich richtig entsinne«, sagte Doc Sawyer, »dann erhöht sich seine Lebenserwartung Ihren Tabellen zufolge auf hundertundfünfzig Jahre, falls es Ihnen gelingt, seine
Körpertemperatur bei 35° zu stabilisieren?« »Das ist richtig«, bestätigte sie. »Aber die Körpertemperatur ist nicht der einzige Faktor. Der Alterungsprozeß wird außerdem noch durch Frischzellen, Placentapräparate und die rumänische Procainbehandlung verlangsamt. All das trägt erheblich zur Steigerung seiner Vitalität bei.« Sie hob den Blick. »Dem Körper muß die Gelegenheit geboten werden, dem Zeitfaktor zu widerstehen.«
Doc Sawyer schüttelte staunend den Kopf. »Hunder-tundfünfzig Jahre«, sagte er leise. »Das müßte doch eigentlich jedem genügen.«
»Ihm nicht«, lächelte sie. »Er verlangt Unsterblichkeit. In den nächsten fünf Jahren soll seine Temperatur noch viermal abgesenkt werden, bis wir ihn bei 32° haben. Dann beträgt seine rechnerische Lebenserwartung zwei-hundertundachtzig Jahre. Aber wie gesagt: Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht einem Hirngespinst nachjagen. Bis jetzt sind das alles nur Hochrechnungen unserer Computer.«
»Verdammt!« entfuhr es Doc Sawyer. »Das ist alles so unheimlich.«
Dr. Zabiski schaltete ihr Computerterminal aus. »Ich finde es auch nicht gerade gemütlich.« Sie goß sich Wasser in ein Glas und trank einen Schluck. »Diese Spielchen mit dem Hypothalamus, um die Temperatur abzusenken, sind gefährlich. Der Laser arbeitet zwar ziemlich genau, aber wenn wir uns auch nur um eine Mikrosekunde verrechnen, kann es ihn umbringen.«
»Vielleicht können wir ihn nach dieser Phase der Behandlung dazu überreden, es endlich genug sein zu lassen«, meinte Doc Sawyer und setzte sich wieder.
Frau Dr. Zabiski schüttelte den Kopf. »Ich habe schon so oft mit ihm darüber diskutiert. Ich will es gern noch einmal versuchen, aber ich weiß jetzt schon, was er mir sagen wird.« Doc Sawyer warf ihr einen fragenden Blick zu. »Was wird er sagen?«
»Daß er bei einem Unfall jederzeit sterben könne und deshalb lieber aufs Ganze ginge.« Sie verschloß die Tastatur des Computers und stand auf. »Lassen Sie uns runtergehen! Er wird in ungefähr fünfzehn Minuten geweckt.« Der Fahrstuhl brachte sie ins achte Untergeschoß. Sie öffneten eine Glastür, gingen noch ein paar Schritte weiter und bogen dann nach rechts ab. In diesem Teil des Ganges war niemand zu sehen.
Vor ihnen befand sich eine silbern schimmernde Glastür mit der Aufschrift: MONITOR ROOM. Dr. Zabiski legte ihre Hand auf die Identitätsprüfungsplatte, und die Türen glitten lautlos zur Seite. Die Ärztin trat ein, und Doc Sawyer folgte ihr. Obwohl er im Verlauf der letzten Jahre schon mehrfach hier gewesen war, hatte Doc Sawyer bei jedem Besuch das Gefühl, das Kontrollzentrum der NASA während eines Weltraumflugs zu betreten. Von der kleinen Plattform hinter dem Eingang führten drei Stufen in den eigentlichen Kontrollraum hinunter, dessen Seitenwände völlig mit Monitoren, Magnetspeichern und Schalttafeln bedeckt waren. Den Abschluß des Raumes bildete eine riesige Glaswand, hinter der die Intensivstation lag, wo Judd sich im Moment befand. Vor der gläsernen Wand standen drei Pulte, an denen medizinisch-technische Assistenten arbeiteten. Jeder von ihnen hatte ein eigenes Datensichtgerät mit angeschlossenem Drucker. Sämtliche Lebensfunktionen des Patienten wurden überwacht und gespeichert.
Doc Sawyer folgte der kleinen Ärztin bis vor die Glaswand. Gemeinsam betrachteten sie den Patienten, der vollkommen nackt in der Intensivstation lag. Judds gan-zer Körper war mit kleinen Elektroden bedeckt, die drahtlos Informationen an den Computer meldeten. Lediglich eine leichte Sauerstoffmaske war durch zwei Plastikschläuche mit den Versorgungssystemen verbunden.
Als sich Dr. Zabiski dem Monitor zuwandte, bemerkte Doc Sawyer eine leichte Bewegung bei dem Patienten.
Er sah genauer hin. Judd hatte eine Erektion, während er schlief. Sawyer drehte sich zu seiner Kollegin um. »Er scheint ja angenehme Träume zu haben.« »Wieso?« fragte Dr. Zabiski und kehrte an die Glaswand zurück.
»Sehen Sie selbst«, lächelte Sawyer. Sein Schwanz steht hoch wie ein Spargel.«
Die Ärztin runzelte die Brauen. »Das gefällt mir nicht. Das ist viel zu früh.« Sie
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