Die Moralisten
hielten auf dem Parkplatz hinter dem Haus, und Ayala sprach kurz mit dem Wächter, der sich daraufhin schweigend zurückzog.
Sie gingen über den Korridor im Erdgeschoß und warteten vor dem Lastenaufzug. Ein Stubenmädchen wollte gerade einen Wagen mit Wäsche hineinschieben. Ayala erteilte ihr einen knappen Befehl, und das Mädchen zog den Wagen erschrocken zurück. Ayala ließ Judd und Sofia zuerst einsteigen, dann winkte er seine Männer in den Aufzug. Er selbst stieg als letzter ein und drückte den obersten Knopf. Die Türen schlossen sich leise.
»Warten Sie im Aufzug, bis ich Sie rufe«, sagte Ayala zu Judd und Sofia.
Judd nickte. Schweigend beobachtete er das Aufleuchten der Lämpchen über der Lifttür, mit denen die Stockwerke angezeigt wurden. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie das Penthouse erreichten.
Noch ehe die Türen sich völlig geöffnet hatten, sprangen die ersten Soldaten geschmeidig wie Panther hinaus. Zwei Sekunden später folgten die nächsten. Ayala drückte einen Knopf, damit die Türen blockiert wurden. Dann winkte er den Rest seiner Leute hinaus.
Als Judd und Sofia zusammen mit dem Oberst auf den Korridor traten, lag der Wächter der Suite bereits gefesselt und ge knebelt auf dem Boden vor dem Personenaufzug. Ayala fragte ihn etwas. Der Wächter deutete mit einer Kopfbewegung auf eine der Türen.
Ayala bewegte sich mit dem Rücken zur Wand zentimeterweise auf die geschlossene Tür zu und drückte lautlos die Klinke herunter. Die Tür war unverschlossen. Geräuschlos schob sich Ayala in das halbdunkle Zimmer. Judd und ein paar Soldaten folgten ihm leise. An einem Tisch saß ein Mann und schlief. Der Kopf war ihm auf die Arme gesunken, er röchelte leise.
Einer der Soldaten tippte dem Schlafenden leicht auf die Schulter. Erschrocken fuhr der Mann hoch und sah direkt in die Mündung einer 45 er Automatic. Sein Mund öffnete sich zum Protest.
»Kein Wort«, zischte Judd. »Es geschieht Ihnen nichts.« Der Mann drehte sich um.
»Wir wollen niemandem etwas tun«, beruhigte ihn Judd leise. »Wo sind die anderen?«
Der Mann holte tief Atem. »Drei von ihnen schlafen. Die anderen sind in der Stadt, schauen sich einen amerikanischen Film an«, flüsterte er.
Judd zeigte auf eine offene Tür. »Ist Hughes da drin?« Der Mann nickte.
»Ich muß mit ihm reden«, sagte Judd.
»Das geht nicht«, protestierte der Mann. »Er ist krank und braucht Ruhe. Außerdem schläft er.« »Dann wecken
Sie ihn«, befahl Judd.
Das kann ich nicht. Er ist bewußtlos. Ich glaube, er hat irgendwelche Pillen genommen.«
Bringen Sie uns zu ihm. Die Dame, die wir mitgebracht haben, ist Ärztin.«
Der Mann warf Sofia einen prüfenden Blick zu. Als er die Arzttasche sah, die sie in ihrer Hand trug, erhob er sich langsam und führte sie in das Schlafzimmer. Der Raum war fast vollkommen dunkel. Die schweren Rolläden ließen kein Tageslicht herein, und die einzige Lichtquelle war eine winzige Nachttischlampe neben dem Bett. Der Teppichboden war vollständig mit Kleenextü-chern bedeckt, die säuberlich nebeneinander ausgebreitet worden waren. Es hing ein fürchterlicher Gestank in der Luft, gegen den die Klimaanlage offensichtlich nichts ausrichten konnte. »Macht die Rolläden hoch und öffnet die Fenster«, befahl Judd. »Laßt den Gestank raus und schmeißt die widerlichen Taschentücher weg.«
»Das geht nicht«, widersprach der Mann. »Die Fenster sind alle versiegelt. Und die Taschentücher dürfen wir auch nicht aufheben. Das hat Mr. Hughes ausdrücklich verboten. Er glaubt, daß einzig die Taschentücher ihn vor Bakterien schützen.«
»Dann machen Sie wenigstens das L icht an.« Im Schein der Deckenlampe betrachtete Judd mit ungläubigem Schrecken den Mann, der im Bett lag. Der Kranke hatte die Augen geschlossen und atmete schwer durch den offenen Mund. Sein Gesicht war mit Bartstoppeln bedeckt, und das schulterlange, fast vollkommen graue Haar hing in wirren Strähnen herunter. Judd trat einen Schritt näher. »Mr. Hughes«, rief er leise. Der Kranke rührte sich nicht. »Mr. Hughes«, rief Judd noch einmal mit lauterer Stimme.
»Er gibt keine Antwort«, meinte der Mann aus dem Vorzimmer. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß er krank ist. Er hat schon seit einer Woche nicht mehr gesprochen. Und er hat auch seit einer Woche nichts mehr gegessen.« Judd winkte Sofia heran. »Sieh ihn dir einmal an.« Sofia öffnete die Arzttasche und entnahm ihr ein Stethoskop Sie lauschte einen Augenblick auf
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