Die Moralisten
Ärztin. »Ich möchte nicht, daß Sie sich überanstrengen. Bridget wird Sie ein bißchen waschen, dann helfen wir Ihnen beim Aufstehen. Ich möchte, daß Sie eine Weile im Rollstuhl bleiben, bevor Sie wieder herumlaufen. Wir dürfen nicht vergessen, daß Sie drei Wochen im Bett gelegen haben und sich an so einfache Dinge wie die Schwerkraft erst wieder gewöhnen müssen. Ich möchte nicht, daß Sie stürzen, wenn Sie aufstehen.« »Na gut, Sie sind die Ärztin.«
»Richtig, und deshalb muß ich Ihnen auch sagen, daß ich gern bei Ihrer Besprechung anwesend wäre. Ich möchte nicht, daß Sie in eine Streßsituation kommen, ohne daß ich Ihnen helfen kann.«
»Was soll denn passieren?«
»Das kann man nie wissen. Wir befinden uns auf völlig unbekanntem Gebiet, Mr. Crane. Das dürfen Sie niemals vergessen.«
Judd musterte sie schweigend. Er war der Ansicht, daß sie inzwischen wußte, warum er noch nicht zugestimmt hatte. »Glauben Sie mir«, sagte sie ernsthaft. »Ich interessiere mich nicht im mindesten für Ihre Privatangelegenheiten.« »Das weiß ich. Aber wenn all die Untersuchungsergebnisse so positiv sind, wie Sie gesagt haben, da nn kann doch gar nichts so Schlimmes passieren, daß Sie gleich an Ort und Stelle sein müssen.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, räumte sie ein. »Aber ich bin Ihre Ärztin und trage für Sie die Verantwortung.
Ich bin vielleicht übervorsichtig, aber das ist mir lieber, als einen Fehler aus Leichtsinn zu begehen.« Judd dachte einen Moment nach. »Okay«, willigte er schließlich ein. »Allmählich komme ich mir vor wie ein Baby, das je den Augenblick bewacht werden muß.« »Judd«, sagte sie leise, »was glauben Sie denn, wie ich mir vor komme? Und in gewisser Weise sind Sie tatsächlich mein Baby. Ich glaube, es gibt auf der ganzen Welt keine Mutter die so ein Kind hervorgebracht hat, wie Sie eins sind.«
»Sie sehen gut aus«, begrüßte ihn Merlin. »Ich fühle mich auch gut«, lächelte Judd. Er ließ den Rollstuhl noch etwas näher an den Konferenztisch heranfahren. Fast Eddie grinste. »Diese irische Krankenschwester, die Sie da haben, ist Klasse.«
»Leider immer die gleiche Geschichte bei mir. Wenn das richtige Material da ist, habe ich keine Zeit«, lachte Judd. Merlin warf einen fragenden Blick auf Dr. Zabiski, die in einer Ecke des Raumes saß. Judd nickte. »Es ist okay. Reden Sie nur.«
Merlin öffnete seinen Attachekoffer. Er entnahm ihm einen Stapel Computerausdrucke, die er über den Tisch schob. »Ich habe noch nicht alle Informationen, aber ich bin der festen Überzeugung, daß der Zugangscode für die Datenbank geknackt worden ist.«
Judd sah ihn überrascht an. »Wie kommen Sie darauf?« »Da sind ein paar Kleinigkeiten«, erklärte Merlin.
»Die Ausdrucke sind neuerdings so perfekt. Es gibt überhaupt keine Fehler und Wiederholungen mehr.«
»Eine Ahnung, ja?« »Im wesentlichen.«
Judd zögerte einen Moment. »Gut, ich glaube Ihnen. Lassen Sie den Code ändern.«
»Ich bin froh, daß Sie zus timmen.« Merlin atmete auf. »Ich habe der Computerzentrale schon die entsprechenden Anweisungen gegeben, aber ich brauche Ihre Unterschrift, damit es offiziell wird.« Er legte ein Blatt Papier und einen Federhalter auf den Tisch. Judd zeichnete den Text ab. Den einen Durchschlag behielt er selbst, den anderen packte Merlin in seine Tasche. Das Original würde im Safe der Computerzentrale aufbewahrt werden, zu dem nur der Direktor selbst Zugang hatte. »Gibt es sonst noch etwas?«
Merlin zeigte auf die Papie re, die er Judd hingelegt hatte.
»Das ist der erste Kontoauszug der South and Western Savings and Loan Association seit der Fusion.«
»Ja und? Irgend etwas Besonderes?«
»Sehen Sie sich mal Seite zwei an. Zinslose Tagegelder einschließlich der persönlichen Girokonten: zweihundert Millionen Dollar. Und dann sehen Sie sich mal die Kundenkartei an Seite zwei. Da stehen die Kontoinhaber mit den höchsten Einlagen. Es handelt sich um insgesamt elf Namen, die Konten in allen einhundertfünfzehn Filialen der Bank unterhalten. Ich habe diese Namen vom Sicherheitsdienst überprüfen lassen. Fünf Kolumbianer, vier Kubaner und zwei Peruaner, die alle im Ruf stehen, am internationalen Rauschgifthandel beteiligt zu sein.«
Judd blätterte in den Papieren, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich hob er den Blick. »Sieht so aus, als hätten wir keine Bank, sondern eine Wäscherei für schmutzige Dollars gekauft.«
Merlin lächelte nicht.
»Wieviel
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